Hans Faust

- Kein Heldenepos -


(ZUM ANFANG)

8. Allegro appassionato

Gar mancher Widerchrist, der Christ sich nennt zum Schein,
hat die Frage ausgegeben:
soll dieses Gottes Wort, das Evangelium sein,
überall sich zu erheben
und seinen Fürsten all gleich herrenlosen Tiern
den Gehorsam zu versagen,
die Obrigkeit der Welt, der Kirche reformiern,
Herrn vertreiben und erschlagen?

All diesen Frevlern nun, den Gotteslästerein,
all den ketzerischen Zungen
sei Antwort jetzt zuteil: die zwölf Artikel sein
aller Bauern Forderungen!
Was können wir dafür, wenn sich die hohen Herrn
über Gottes Wort empören?
Zwar stellen sie sich taub, vernehmen es nicht gern,
doch sie müssen’s trotzdem hören!

Zum ersten fordern wir, dass uns gestattet wird,
unsern Pfarrer selbst zu wählen:
der sei ein Vorbild uns und ein getreuer Hirt,
dass er rette unsre Seelen.
Doch wenn er falsch uns lehrt und sucht sein eignes Teil
oder strebt nach Erdenschätzen,
so sei es uns erlaubt zu unserm Seelenheil,
ihn auch wieder abzusetzen.

Zum andern wollen wir den Zehnten fernerhin
nur dem Pfarrer selber geben
als den verdienten Lohn, dass er nach Gottes Sinn
ohne Sorge möge leben;
man schenke, was noch bleibt, im Dorf den Armen her,
denn kein Reicher soll es raffen.
Den Kleinen Zehnten nur, den geben wir nicht mehr:
Gott hat frei das Vieh erschaffen!

Zum dritten sind wir durch Leibeigenschaft beschwert:
die sollt ihr nicht mehr betreiben.
Das heißt ja nicht, uns sei die Obrigkeit nichts wert,
doch der Leib soll unser bleiben!
Wir alle sind doch schon seit langer Zeit getauft;
soll sich Christus für uns schämen?
Er hat uns durch sein Blut so teuer freigekauft:
wer will diese Freiheit nehmen?

Zum vierten sind beschwert wir durch das unrecht Recht,
Fisch und Wild und das Geflügel
sei Fürsteneigentum; das glauben wir wohl schlecht,
trägt’s doch nirgendwo sein Siegel.
Gott schuf die Tiere uns; so ist in dieser Sach
jedes Fürsten Recht gestorben,
es sei denn, er weist nach, dass er sich Luft und Bach
hat vom Schöpfer selbst erworben!

Zum fünften sind beschwert wir dadurch, dass im Wald
wir das Holz nicht dürfen schlagen;
Gott schuf den Menschen doch ganz ohne Vorbehalt
an den sieben Schöpfungstagen
die Pflanzen und das Tier zu seinem Unterhalt,
wie wir in der Schrift es fanden:
sie sind des Fürsten nicht, er habe denn den Wald
einst vom Schöpfer selbst erstanden!

Zum sechsten sind wir durch die Dienste hart beschwert,
die von Tag zu Tag sich mehren,
den Frondienst, der so sehr an unsern Kräften zehrt,
drum ist unser recht Begehren,
man möge fernerhin von uns, den Bauern, nun
nichts Unmögliches erwarten;
wir wollen gerne euch so viele Dienste tun,
wie es unsre Eltern taten.

Zum siebten sind beschwert wir durch der Herren Macht,
uns zur Arbeit auszusenden -
wir zahlen doch fürs Land schon eine hohe Pacht;
damit hat’s nun sein Bewenden.
Ist Not am Mann, so hilft der Bauer gerne schon,
ohne mit dem Herrn zu rechten,
wenn dieser ihm bezahlt den angemessnen Lohn,
wie man’s tut mit allen Knechten!

Zum achten sind wir durch den Pachtzins hart beschwert,
dass ums täglich Brot wir bangen,
weil dieser oft noch mehr als den Ertrag verzehrt,
weshalb wir von euch verlangen,
dass erst ein freier Mann den Wert des Gutes schätzt,
das die Bauern jeweils pflegen,
um angesichts des Werts für uns zu guter Letzt
unsern Pachtzins festzulegen.

Zum neunten sind beschwert wir dadurch, dass wir nicht
nach Gesetz gerichtet werden.
Der Willkür ausgesetzt sind wir vor dem Gericht,
oft erdichtet man Beschwerden;
drum fordern wir von euch, dass weder Gunst noch Neid
die Gerechtigkeit verletze,
dass ihr uns richten mögt in aller künftgen Zeit
nach geschriebenem Gesetze.

Zum zehnten sind wir durch den Brauch sehr hart beschwert,
dass die Äcker und die Wiesen
so mancher Fürst sich selbst zum Eigentum erklärt,
doch wir widersprechen diesen:
Gott sandte Menschen aus, mit Sichel und Verstand
seinen Boden zu verwalten;
so hat der Fürst kein Recht, er habe denn das Land
einst vom Schöpfer selbst erhalten!

Zum elften wollen wir das Recht, bei einem Tod
Steuern einzutreiben, leugnen:
es widerspricht nicht nur dem göttlichen Gebot,
Witwen, Waisen zu enteignen.
Wer sucht denn schon den Tod? Wer stirbt, der stirbt nicht gern,
und er wird den Seinen fehlen;
die Not ist groß genug! Es ziemt sich nicht den Herrn,
die Familie zu bestehlen!

Zum zwölften glauben wir zu folgen Gottes Wort;
wo sich etwas andres findet,
dort streichen wir sogleich ganz den Artikel fort,
wenn ihr’s mit der Schrift begründet!
So lasst gemeinsam uns in Gottes Liebe ruhn,
suchet mit uns sein Erbarmen,
auf dass wir alles stets nach seinem Willen tun.
Gott sei mit euch allen. Amen.


Moderato

Ihr Bauern, leider ist es wahr:
ihr seid sehr hart beschwert
durch eure Herrschaft, die sich hat
von Gottes Wort gekehrt.

So viele Fürsten tummeln sich
in Satans Sündenpfuhl,
dass ich, der Doktor Luther, weiß:
bald stößt sie Gott vom Stuhl!

Seid umso mehr in eurer Sach
vor Satan auf der Hut,
dass ihr nicht mehr als recht verlangt
und niemand unrecht tut.

Als erstes fordert ihr, dass man
den Pfarrer selbst erwählt
und selber absetzt; das ist recht,
seid ihr vom Geist beseelt.

Und wollen ihn die Herren nicht,
so sei es euch erlaubt,
für ihn zu sorgen, dass ihr nicht
die Obrigkeit beraubt.

Als zweites fordert ihr, dass man
den Zehnten fernerhin
dem Pfarrer und den Armen gibt;
was macht denn das für Sinn?

Der Zehnt gehört der Obrigkeit,
so wie Matthäus schrieb;
wer das bezweifelt ist ein Tor,
ein Räuber und ein Dieb!

Als drittes wollt ihr auch nicht mehr
leibeigen sein den Herrn,
denn Christus habe euch befreit?
Nichts läge je so fern!

Wer glaubt, dass ihm sein Leib gehört,
verwehrt dem Herrn sein Recht:
ein weltlich Reich kann nicht bestehn,
gibt’s keinen Herrn und Knecht!

Die nächsten acht Artikel sind
von weltlicher Natur,
und es verstehen sich darauf
die Rechtsgelehrten nur.

Zuletzt wollt alles streichen ihr,
was nicht der Schrift entsprach;
nun kennt ihr Gottes Willen wohl -
so richtet euch danach!

Nun, liebe Bauern, liebe Herrn,
lenkt euren Blick nach vorn:
nichts Christliches ist’s zwischen euch
als einzig Gottes Zorn.

Um weltlich und um heidnisch Recht
geht dieser harte Streit.
Legt ihn alsbald in Frieden bei;
Gott steht auf keiner Seit!


Allegro con moto

Ihr edlen Herren mit den vollen Mägen,
man hat euch nicht vergessen;
wir kommen hoffentlich nicht ungelegen
und stören nicht beim Fressen!

Ihr eitlen Herrn, spitzt eure tauben Ohren
und höret unsre Schemen:
die Bauern stehen jetzt vor euren Toren,
Gerechtigkeit zu nehmen!

Mir selber, Thomas Müntzer mit dem Hammer,
hat Gott das Schwert gesendet,
zu enden dieser Menschen großen Jammer,
die ihr so schimpflich schändet.

Und haben auch die Bauern schon entrechtet
die meisten eurer Väter,
ihr habt noch mehr gefoltert und geknechtet
als solche Übeltäter,

Lasst ihren Lohn in eure Kassen fließen
allein durch eure Stärke,
dass ja die armen Bauern nicht genießen
die Früchte ihrer Werke.

Und noch ein Zehnt und eine Fron! Wie kläglich
speist ihr sie mit den Resten;
der Bauer schafft nicht zwanzig Stunden täglich,
um euren Wanst zu mästen!

In eurer Scheune ist sein Korn verdorben:
ihr habt sein Recht und Hoffen
und, was der Bauer mühsam hat erworben,
verfressen und versoffen!

Wie süß schmeckt doch der Fleiß der Handwerksleute,
wie hat er euch gefallen;
doch drängt er sich zurück nach oben heute
und wird zu bittern Gallen.

Jetzt wird das Volk die Herrschaft sich erstreben
und Gott mit ihm regieren;
vorbei ist nun das sanfte faule Leben,
die fürstlichen Manieren,

Vorbei die Zeit der Kuchen und der Kräpfel,
die uns so lange fehlten;
oho! wie reif sind doch die faulen Äpfel,
wie mürbe die Erwählten!

Sie können ihren heißen Durst nicht stillen,
von Gottes Wort zu wissen,
dieweil sie um der bittren Nahrung willen
sein Wort verleugnen müssen.

Die Kirche war einst Jungfrau und Noblesse
auf der Apostel Spuren;
die Schüler machten bald sie zur Mätresse
und eines Römers Huren.

Sie haben stets gemehrt die Gier der Schinder
und Gottes Wort verboten,
sie taufen gar die ahnungslosen Kinder
und handeln mit den Toten!

Sie haben dicke Bücher vollgeschmieret,
in denen sie uns lehren,
der alte Prunztopf, der zu Rom regieret,
sei mehr als Gott zu ehren!

Wir werden richten, die den Herrn entehrten,
und seinen Tempel säubern
von Mördern und von falschen Schriftgelehrten,
von Händlern und von Räubern,

Die Bilder in den Kirchen niederreißen,
die teufelsfratzig lachen,
wie Gott im anderen Gebot geheißen:
du sollst kein Bild dir machen!

Vor wie viel Götzenbildern knien heute
die Mönchlein und die Nönnlein:
sie machen Christus zum Gespött der Leute
und zum gemalten Männlein!

Des Papstes hurenhengstisch Pfaffen rauben
die Seligkeit den Frommen
und haben von dem reinen Christusglauben
den Schlüssel weggenommen.

Die irren hodensäckischen Doctores
vergnügen sich in Sünden;
sie lehren Gottes Volk des Satans Mores
und leben von den Pfründen.

Die Gottes Häuser so zum Jahrmarkt machen,
die sind mit euch verschwestert:
gemeinsam habt ihr ausgenutzt die Schwachen,
Gott und sein Volk gelästert!

Zu lange habt ihr fremden Lohn genossen:
Gerechtigkeit zu schaffen,
hat nun das Volk den Ewgen Bund geschlossen
und greift zu seinen Waffen.

Der letzte Bissen wird euch bald im Munde,
im Halse stecken bleiben,
und schließt ihr euch nicht an dem Gottesbunde,
so wird man euch vertreiben!

Es kann den Zorn des Herren niemand dämpfen,
kein Heer, kein Vaterunser,
und wer in Gottes Bund nicht möchte kämpfen,
ist Gottes Feind und unser!

Wie Daniel sprach: Gott wird vom Thron euch stoßen,
Gewalt und Macht auf Erden
wird nun anstatt den lästerlichen Großen
dem Volk gegeben werden!

Ihr habt ein böses teuflisches Gewissen
und führt ein gottlos Leben;
Gott hat das Schwert nun eurer Hand entrissen
und seinem Volk gegeben.

Verstockt das Herz wie das des Pharaonen,
so stur und hartgesotten,
gebietet Gott, solch Fürsten nicht zu schonen
und völlig auszurotten!

Das Schwert zu nehmen hat mir Gott befohlen,
doch wollt ihr zu uns eilen,
so wollen wir, was ihr von uns gestohlen,
auch christlich mit euch teilen.

Als Brüder unserm Bunde beizutreten,
das wollen wir euch raten,
so werden wir für eure Seele beten,
vergeben eure Taten.

Doch fahrt ihr fort, mit höhnischem Geläster
noch gegen uns zu wettern,
befiehlt uns Gott, dass wir all eure Nester
zerreißen und zerschmettern!


Agitato

Den Menschen heutzutage scheint
der eigne Stand nichts wert:
der Ochs verlangt des Sattels Last,
und pflügen will das Pferd.

Es hat der Fürst ein schweres Amt,
viel Sorge und viel Leid,
dieweil der Bauer fröhlich lebt
und schnarcht in Sicherheit.

Ich wollt, ich wär ein Bäuerlein:
ich könnte allzeit ruhn,
der Weizen wüchse ganz von selbst,
ich bräuchte nichts zu tun.

Ich habe in der letzten Schrift
die Bauern nicht verdammt,
dieweil sie unterstellten sich
der Bibel allesamt.

Doch ihre zwölf Artikel sind
nur eitel Lügenwerk:
sie halten mit der Niedertracht
nun nicht mehr hinterm Berg!

Wie tolle Hunde wüten sie
und rauben ohne Not,
und sie verdienen alle sich
den hundertfachen Tod!

Zum einen schworen sie den Herrn
Gehorsam, Treu und Huld;
jetzt haben sie sich abgewandt
und tragen tiefe Schuld.

Zum andern haben sie manch Schloss
und Kloster schon zerstört,
sie plündern, und sie rauben auch,
was ihnen nicht gehört.

Zum dritten nehmen sie dabei
die Bibel in den Mund
und zwingen Unbescholtne gar
in ihren Teufelsbund!

Die Genesis zitieren sie,
weil dort geschrieben sei,
Gott schuf die Dinge allgemein,
und alles wäre frei!

Wohl waren alle Dinge frei
im Alten Testament,
doch zeigt, wer darauf sich beruft,
dass er die Schrift nicht kennt!

Hat Christus denn nicht frei gemacht
die Seele von der Welt
und Leib und Gut des Christen selbst
dem Fürsten unterstellt?

Welch feine Christen! Sehn sie doch
den eignen Nutzen nur.
Die Höll ist leer, weil jeder Geist
in einen Bauern fuhr!

Ihr schlimmster Teufel aber ist,
der alle Welt verführt,
der Erzesteufel Müntzer, der
zu Mühlhausen regiert!

Als Wolf im Schafskleid lauert er,
wer in die Falle geht:
so wurde der gelehrte Mann
beschissener Prophet!

Als Priester seines Beelzebubs
verdreht er Gottes Wort,
und dieses hohlen Baumes Frucht
ist Aufruhr und ist Mord!

Er lehrt, dass man auf Gottes Stimm
und Träume hören soll,
als wäre er, den Gott verwarf,
zehn Heilger Geister voll!

Ich höre nichts, ich träume nichts
und bin doch Gottes Stift:
Gott redet nicht durch Traum und Geist,
er redet durch die Schrift!

Er lehrt zu stürzen jedes Bild
in seinem großen Wahn,
so wie es mit den Götzen einst
der Jude hat getan.

Der Bilderdienst, er widerspricht
zwar Gottes reiner Lehr,
doch wo die Herzen man gewinnt,
ist bald kein Bildnis mehr.

Er lehrt gar, dass der Bauer sich
der Obrigkeit erwehrt,
weil, wie er glaubt, der Fürst zuviel
von seinen Früchten zehrt.

Er würde sich, läs er die Schrift,
ersparen solch Geplärr:
auch Christ stand vor Pilatus einst
und sprach: Du bist mein Herr!

Sein Reich ist nicht von dieser Welt;
der Christ - wie ich und du -
muss dulden, denn wo Faustrecht gilt,
geht’s mit dem Teufel zu.

Gott will, dass nun die Obrigkeit
mit Macht dazwischenschlägt,
solang in ihren Armen sich
noch eine Ader regt!

Die Obrigkeit hat selber zwar
den lieben Gott entehrt,
doch gegen Aufruhr, Raub und Mord
befiehlt ihr Gott das Schwert!

Drum sprech der Fürst: Gott hat mich selbst
zur Obrigkeit gesetzt,
und jeder Mensch verdient den Tod,
der sein Gebot verletzt!

So kommt es, dass ein jeder Herr,
der in dem Kampfe stirbt,
weil er auf Gottes Seite stand,
den Himmel sich erwirbt.

So kommt’s auch, dass ein Bauer, der
ein Herr zu sein begehrt,
sich dadurch Leib und Seel verwirkt
und in die Hölle fährt.

Doch gnädig sei die Obrigkeit
den Frommen im Gericht:
mit Aufruhr, Raub und Mord begnügt
der Pöbel sich ja nicht,

Ist nicht zufrieden, durch sein Werk
des Teufels Glied zu sein -
sie zwingen auch manch edlen Mann
in ihren Bund hinein!

Drum löst, errettet, helfet nur
dem armen frommen Mann;
die Bauern steche, schlag und würg
ein jeder, der da kann!

Es töte jeder gute Christ
die wilden Bauern gern;
es wird, wer dabei selber stirbt,
zum Märtyrer des Herrn!

Nun sage jeder fromme Christ
sein Amen zum Gebet,
denn Gott ist allem Aufruhr feind
und hört auf den, der fleht!


Trionfante

Das ist der Luther, den die Fürsten preisen,
der deinetwegen auf der Wartburg saß,
der an der Tafel Friederichs des Weisen
das Reformieren voll und ganz vergaß
und nun versucht, die Frommen abzuspeisen,
von deren Elend er ein wenig las;
denn wer sich hat vom Papsttum abgespalten,
muss umso treuer zu den Fürsten halten.

Der Mensch soll frei allein im Glauben werden,
und aller Glaube sei dem seinen gleich;
nur wer die Hölle schafft und trägt auf Erden,
erwirbt im Tode sich das Himmelreich -
so lehrt Herr Luther lieben die Beschwerden
und dulden seiner Fürsten bösen Streich.
Hätt man ihn selbst zum Papste einst erkoren,
dann wehe! wehe! den Reformatoren!


Allegro con brio

Wie windet Doktor Lügner sich in Krämpfen,
die Frommen zu betören:
der Teufel will das Gotteswort bekämpfen
und nichts vom Geiste hören.

Im Traume Gottes Willen zu ergründen
sei gegen die Erfahrung:
ja, wer den Heilgen Geist im Buch will finden,
hat keine Offenbarung!

Auf tote Lettern kann der Herr verzichten
im Aug des Gottesmannes:
er zeigte sich in Stimmen und Gesichten
von Adam bis Johannes.

Der Madensack glaubt doch die Schrift zu kennen:
wie kann er sich erfrechen,
zu sagen - ohne seine Quell zu nennen -,
Gott könne nicht mehr sprechen?

Den Vater Leisetritt mit seinen Laffen
lasst nur sein Süpplein kochen;
Gott hat noch nie durch schriftgelehrte Affen,
durch Mönch und Pfaff gesprochen.

Der Bruder Sanftes Leben bete weiter
zu seinem stummen Gotte;
drum lasst nur zu, ihr lieben Gottesstreiter,
dass Jungfrau Martin spotte.

Die keusche Frau aus Babylon lässt ihren
papiernen Papst beschwören,
von schriftgelehrten Freiern sich flankieren;
der Bauer soll es hören!

Er kann recht artig seinen Namen sagen,
so wie ein kluger Rabe:
Ich bin der Martin, wollt ihr’s mit mir wagen?
Bewundert meine Gabe!

Vom Brüllen heiser ist schon seine Kehle:
den Teller sich zu füllen,
verkaufte Bruder Mastschwein Geist und Seele
um einer Suppe willen.

Das Reformieren macht er überflüssig,
der mit Gerechten rangelt,
weil, was an Fürstenfurcht ihm überschüssig,
an Gottesfurcht ihm mangelt.

Er kann vor Fett nicht halb so tief sich beugen
wie jener Tisch des Fürsten,
an dem er Gottes Liebe mag bezeugen
bei Käse, Wein und Würsten.

Er hat im Schoß des süßen Jesuleinchen
den bittern Christ vergessen,
doch eines Tags hat sich das kleine Schweinchen
am Honig totgefressen.

Wohl kann er gegen Pfaff und Bauern schreiben
- sie können sich nicht wehren -,
doch unsre Fürsten und ihr gottlos Treiben
hält Leisetritt in Ehren.

Vergeblich wird der Fettsack sich befleißen,
wenn er die Bauern richtet,
das Volk mit seiner Logik zu bescheißen,
im Hühnerstall erdichtet:

Der Bauer soll geduldig stillehalten,
was ihm auch widerführe,
sich freundlich sterbend beugen den Gewalten,
wie Christen es gebühre.

Doch die Tyrannen auf dem hohen Wagen,
sie sollen ohne Bange
die Hungerleider rücksichtslos erschlagen,
wie Christus es verlange!

So lässt der Doktor Ludibrii schießen -
er ist des Fürsten Heerhold,
will Dank verdienen durch das Blutvergießen:
er ist des Fürsten Heer hold!

Wer so um Mord und Totschlag hat gebeten,
wird Gott bei sich nicht leiden:
eh dieser wird das Paradies betreten
sind’s Türken, Juden, Heiden!

Der Wittenberger Papst ist schlecht beraten
und kniet zu Friedrichs Füßen;
der seine Väter treulos hat verraten,
wird ewig dafür büßen!

So spüren nun die Bauern ohn Erbarmen
das Schwert anstatt der Rute,
und dazu sagt der Doktor Lügner: Amen!
und lechzt nach ihrem Blute.

Der hodensäckische Doktor verrecke,
er wird hier nichts beschicken:
an Luthergrütze und am Martinsdrecke
wird mancher noch ersticken!


Vivace

Hier stehn sie nun, die letzte Schlacht zu schlagen,
sich zu erringen Freiheit oder Tod,
doch ist es fraglich, ob sie’s wirklich wagen,
vom Fürstenheer belagert und bedroht;
so mancher Bauer will schon fast verzagen
und überdenkt der Fürsten Angebot,
den Bauern allen gnädig zu vergeben
im Austausch gegen Thomas Müntzers Leben.

Die Schlacht der Schlachten muss geschlagen werden,
denn unbesiegbar ist der Bauern Wut -
begründet sind der armen Leut Beschwerden,
begründet ist ihr Durst nach Fürstenblut;
sie brauchen keinen Frieden vorgelogen,
sie brauchen nichts als nur ein Fünkchen Mut!

Ihr Bundeszeichen ist der Regenbogen,
der einmal schon bestärkte sie im Krieg,
als gegen ihren Feind sie ausgezogen,
und sie errangen den verdienten Sieg!
So helfe Thomas Müntzer und den Seinen,
der siegessicher auf den Schlachtberg stieg,
der Bauern größte Heere zu vereinen,
mit deren Kraft man manchen Fürsten schlug,
und lass den Regenbogen ihm erscheinen!

Der Regenbogen ist doch Gottes Zeichen:
nachdem er so viel Menschen umgebracht,
ließ er sich einmal noch das Herz erweichen
und hat im Bund der Menschheit neu gedacht.
Der Regenbogen ist doch Gottes Zeichen,
und über diesen hab ich keine Macht;
ich könnte höchstens den verzagten Massen
den Halo um die Sonne scheinen lassen.

So nimm den Halo! Der ist gut genug;
es wird der Bauern Furcht sofort verfliegen,
und jeder wird sich drängen in dem Zug,
die unbarmherzgen Herren zu bekriegen.
Auf ihrer Seite kämpft das Recht, der Hass,
und wenn sie die Tyrannen erst besiegen,
so scheint die Sonne ohne Unterlass!


Allegro con fuoco

Wie lange wollt ihr Brüder denn noch zagen?
Was schlottern euch die Beine?
Nur dran! Nur dran! Und fröhlich dreingeschlagen:
wir kämpfen nicht alleine!

Noch immer fürchtet ihr die hohen Herren,
die euch zugrunde richten,
doch wollt ihr ihren Karren nicht mehr zerren,
so müsst ihr sie vernichten!

Das machen doch die hohen Herren selber,
dass wir uns müssen wehren:
wir sind nicht mehr die Lämmer und die Kälber,
sind Löwen und sind Bären!

Wir blieben friedlich bis zu dieser Stunde -
jetzt ist es Zeit zu handeln!
Wir luden sie doch ein zu unserm Bunde;
sie wollten sich nicht wandeln.

Man kann dem Herrn nicht und den Herren dienen,
da beide sich bekriegen;
wer zu den Fürsten hält und kämpft mit ihnen,
der muss auch Gott besiegen!

Und würde Barbarossa gar zum Streite
aus dem Kyffhäuser gehen:
Gott selber kämpft voll Zorn an unsrer Seite -
wer mag uns widerstehen?

Nur dran! Nur dran! Es hat der Herr gerichtet!
Lasst keinen Feind am Leben!
Auch Gideon hat Tausende vernichtet -
sein Schwert ist uns gegeben!

Habt ihr Hesekiels Bild denn schon vergessen
von Magogs wüstem Haufen? -
Das Fleisch der Fürsten werden Vögel fressen,
ihr Blut die Tiere saufen!

Wie Jesus spricht zu Jüngern und Gemeinde:
Wer für mein Reich will taugen,
der nehme und erwürge meine Feinde
vor meinen eignen Augen!

Wer freudig kämpft für Gottes Wort hienieden,
dem lass ich es gelingen:
ich komme nicht, um dieser Welt den Frieden,
doch um das Schwert zu bringen!

So lasst es den Tyrannen nicht mehr glücken,
euch weiter einzuschüchtern.
Sie werden euch nun nicht mehr unterdrücken:
seid wachsam und seid nüchtern!

Nur dran! Nur dran! Lasst euren Mut nicht trüben,
bedenkt vor allen Dingen:
beschissene Barmherzigkeit zu üben,
kann nur den Tod euch bringen!

Und wenn sie wie die kleinen Kinder flennen
und schwören stillzuhalten,
so werden sie euch später doch verbrennen,
und alles bleibt beim Alten!

Wie Saat des Unkrauts sind der Fürsten Worte;
sie schmeicheln, wenn sie dräuen.
Wer würde wohl den Samen solcher Sorte
sich auf den Acker streuen?

So glaubt auch nicht den frommen Bettelworten,
die mancher Fürst erlernte,
und schreit das Unkraut auch an allen Orten,
noch sei nicht Zeit zur Ernte!

Nur dran! Nur dran! Und wollt ihr nicht auf Erden
um Gottes willen leiden,
so müsst des Teufels Märtyrer ihr werden,
von Gottes Volk euch scheiden!

Bedenkt auch: wir sind hier, für Gott zu streiten,
und nicht, um hier zu plündern;
der Herr wird bis in alle Ewigkeiten
sich rächen an den Sündern!

Seht auf! Ein Regenbogen ist erschienen:
Gott steht mit uns im Bunde!
So lasst uns eifrig mit dem Schwert ihm dienen
in dieser Schicksalsstunde!

Dort kommt auch schon der Fürsten Heer gezogen:
sie haben Wort gebrochen
und mit der Waffenruhe uns belogen,
die wir doch abgesprochen!

Nur dran! Nur dran! Gott steht auf unsrer Seite,
die Freiheit zu erringen!
Nur dran! Nur dran! Und lasst uns in dem Streite
ein Lied dem Herren singen:

Komm zu uns, Schöpfer, Heilger Geist, hernieder,
erfülle unsre Herzen,
erleuchte deine arme Herde wieder,
die zu dir seufzt mit Schmerzen.

Du bist ein wahrer Tröster wohl zu nennen
und stärkst den, der bescheiden;
so lehr uns deinen Christus recht erkennen
und so wie Christus leiden!

Vertilge unsrer Seele arge Feinde
ohn Milde und Erbarmen,
gib Mut und Kraft der zagenden Gemeinde,
dein Kreuz zu tragen. Amen!


Adagio

Dort thront der Kopf des Priesters und Propheten,
auf einen Pfahl am Schadeberg gesteckt;
er konnte auf der Flucht ein Haus betreten,
doch wurde er von einem Gast entdeckt.
Er musste scheitern mit den Kraftpaketen,
die schon die Angst vor Strafe lähmt und schreckt;
nur sechs vom Fürstenheer sind zu beklagen,
die Bauern wurden allesamt erschlagen!

Mag sein, die Zeit ist noch nicht reif gewesen:
die Bauern hatten Furcht vor ihrem Ziel
und sind noch nicht vom Sklaventum genesen.
Zwar machte diesmal noch der Fürst das Spiel
und konnte seine Untertanen zähmen,
da ihm der Sieg ja fast vom Himmel fiel;
doch einmal wird der Deutsche sich bequemen,
wird sich erheben gegen seine Herrn
und sich die Freiheit, die ersehnte, nehmen!

Nach Freiheit wird der Deutsche niemals streben,
da diese die Verantwortung gebiert.
Nur einmal wird dies Land in Freiheit leben,
und zwar nach einem Krieg, den es verliert:
die Freiheit wird, nachdem man sich ergeben,
vom Sieger dem Besiegten aufdiktiert.
Dann wird verächtlich und mit bösem Grimmen
der Deutsche sich in Freiheit selbst bestimmen.

Doch ewig wird er in dem Herzen hegen
den Groll, dass seinen Herren er verlor,
und sich auf einen andern zubewegen,
der tausend Jahre Tod der Freiheit schwor,
Europa ganz in Schutt und Asche legen
und morden so wie kaum ein Volk zuvor:
er wird mit den barbarischsten Verbrechen
sich für die aufgezwungne Freiheit rächen!

Ich wollte ohnehin nicht gar so gern
im Gottesstaate Thomas Müntzers leben;
die irdschen Freuden wären mir zu fern.
Ich hätte manches Laster aufzugeben,
ich müsste Sonntags in der Kirche sein,
ich müsste ständig fürchten um mein Leben
bei einem jeden kleinen Stelldichein;
die Zeugung ohne Liebe zu betreiben
und den Fanatikern sich einzureihn,
kann man als Freiheit schwerlich noch beschreiben,
bereitet man dem Freien doch Verdruss:
so frei zu sein, dass andere es bleiben,
das ist allein der Freiheit letzter Schluss!


Variation

Da die hohen Fürsten mich beordern
nach dem ausgekämpften Bauernkrieg,
um von mir ein Siegesmal zu fordern,
eine hübsch Viktoria für den Sieg,
will ich, Albrecht Dürer, mich befassen
und ein angemessnes Ehrenmal
jenen werten Herrn errichten lassen,
denen unser Gott den Sieg befahl!
Legt auf eine reichlich große Platte
einen etwas kleinern Quaderstein,
ringsherum das, was der Bauer hatte:
viele Kühe, Schafe und auch Schwein’.
Einen weitern Stein legt dann auf diesen,
etwas kleiner wiederum gebaut,
und darum vier Körbe mit Gemüsen,
Käse, Butter, Eiern, Zwiebeln, Kraut.
Einen Haberkasten stellt darüber,
darauf einen Kessel, kopfunt bloß,
einen hübschen Käsnapf obendrüber,
darauf einen Teller, möglichst groß,
dass er an den Seiten überrage,
darauf setzt ein großes Butterfass,
welches wieder einen Milchkrug trage:
dieser Milchkrug halte alles, was
solch ein Bauer braucht, um sich zu placken -
Mistfork, Gabel, Flegel, Schaufeln, Haun,
andres Werkzeug, Rechen, Stock und Hacken,
drauf sollt ihr ein Hühnerkörbchen baun.
Ganz zuoberst setzt ihr einen Bauern
auf den Schmalztopf, welcher ausgezehrt,
seinen Kopf gestützt in tiefem Trauern,
und sein Leib durchbohrt von eurem Schwert.


9. Animato

Heut will ich ins Elysium verreisen,
der Selgen Insel, die im Westen liegt,
dem Grünen Eiland, das die Griechen preisen,
wo Hunger, Arbeit, Leid und Tod besiegt!
Den Mantel, schnell - ich kann es kaum erwarten,
dass er uns hin ins Land des Kronos fliegt!

Das ist vorbei! Die Lieder sind verklungen,
die Leiden feiern ihre Wiederkehr.
Not, Tod und Arbeit sind dort eingedrungen,
und Selge gibt es lange schon nicht mehr;
von einer fremden starken Macht bezwungen,
vor einem unerbittlich harten Heer,
hat Irland seine Freiheit aufgegeben,
und lebenslanges Sterben ist das Leben.

Der Graf von Kildare besetzt ein Positiönchen,
das früher manche Besserung gebracht,
doch schrieben seine Feinde Denunziönchen,
die man in England keineswegs belacht;
er hat in weiser Vorsicht schon sein Söhnchen
zu seinem Stellvertreter sich gemacht.
Dann rief man ihn zu Heinrich - ja, dem Achten;
nun wird im Turm zu London er verschmachten.

Was sucht denn England in der Götter Garten,
was wütet Heinrich denn im Paradies?
Soll denn zum zweiten England jetzt entarten
der Platz, an den man Hellas’ Helden wies?
Der König soll bezahlen seine Schulden
und seine Büttel enden im Verlies;
wie könnt ich dulden, dass die Iren dulden?


Agitato

Wie soll ich meines Vaters Land verwalten,
weiß ich doch nicht, was mit ihm ist geschehn.
Wird König Heinrich ihn nur dabehalten,
bis dort die Richter seine Unschuld sehn?
Wird ohne Schuld er zum Schafotte gehn,
dem Vaterland sein Leben hinzugeben,
wird man uns letztlich unsrer Macht entheben?

Lord Offaly, ich möchte Euch nicht stören;
ich komm soeben aus des Königs Stadt,
und sicher interessiert es Euch zu hören,
was sich in London zugetragen hat.
Wie sehr ist Euer Schicksal zu beklagen -
ich sah den Vater, abgespannt und matt:
man hat das Haupt dem Grafen abgeschlagen,
und Heinrich sah das Schauspiel voller Lust!
Ihr solltet seinen Tod zu rächen wagen,
brennt doch sein Feuer auch in Eurer Brust;
der letzte Sieg wird immer dem bereitet,
der sich der guten Sache ist bewusst
und mit dem Recht auf seiner Seite streitet!

Nun hat es der Tyrann zu weit getrieben!
Er nahm uns aus, er schlug uns ins Gesicht,
und viele Jahre sind wir stumm geblieben;
doch heute werden wir ihm zum Gericht,
die Rache und die Freiheit unsre Pflicht!
Nicht länger bin ich Heinrichs Stellvertreter:
ich bin der Rächer aller unsrer Väter!


Rallentando

So hast du diesem Lord den Sarg gezimmert
durch deine unbedachte Lügenmär,
in dem zwar noch ein Hoffnungsfünkchen flimmert,
doch auch Maynooth hat keine starke Wehr.
Der Iren Lage hast du noch verschlimmert:
jetzt lagert allerorten Heinrichs Heer.
Nach der Revolte, die du angezettelt,
wird auf den Knien um Gnade nun gebettelt.

Zwar klagt der Lord, dem Papsttum treu verpflichtet,
dass Heinrich auch als Feind der Kirche kam,
doch wird er durch des Klerus Schrift vernichtet -
da stirbt der Graf im Turm vor lauter Gram.
Dann stellt der Lord sich und wird hingerichtet,
weil er das Schwert in seine Hände nahm,
und Heinrich wird den Iren gar die Riten,
den Glauben, Sprache und Kultur verbieten!

Mag sein, dass man sich dieses Mal ergeben;
zwar ist misslungen dieser eine Streich,
doch eines Tags wird Irland sich erheben
und sich befrein aus der Tyrannen Reich.
Man wird aus den begangnen Fehlern lernen
und einem eitrigen Geschwüre gleich
die fremde Macht aus seinem Land entfernen!


10. Allegro ma non troppo

Mir träumte heute Nacht, dass diese Erde
die Bosheit und die Religion verlor,
mit würdiger pathetischer Gebärde
zu höhern Sphären stieg der Geist empor.
Zu Herrn der Weisheit wurden alle Knechte,
zu ihrem Knechte, wer ein Herr zuvor.
Ich glaube fast, das ist genau das Rechte,
so wird die Zukunft sein in jedem Land;
wenn nur der Mensch es endlich so weit brächte,
im Geist zu streiten statt mit böser Hand,
wenn er sich bilden würde statt zu kämpfen
und hätt statt Waffen Seele und Verstand.

Wann hörst du auf, die Freiheit zu erträumen,
die nicht den Durst der Knechtesgeister stillt,
dich gegen Unterdrückung aufzubäumen
der Menschen, die zur Folgschaft sind gewillt,
und Dumme mit der Weisheit aufzuzäumen?
Es wird die Menschheit nie dein Ebenbild,
und immer werden sich der Welt Gewalten
an die Gebote Machiavellis halten.

Mein eignes Land will ich dir heute zeigen -
von dort regier ich bald schon diese Welt,
dort wird so mancher Staat sich vor mir neigen,
auch wenn’s den Unterworfnen nicht gefällt.
Dort mache ich die Weltmacht mir zu Eigen,
und wehe dem, der meinen Weg verstellt!
Dies Land war früher Gottes eignes Land,
bis Christoph meinen Weg nach drüben fand.

So mancher Midas wird ums Gold sich reißen,
doch fließt kein Paktalos in seinen Gaun,
die Armut wird erfolgreich sich befleißen,
und niemand wird dem anderen vertraun:
voll Habgier wird den Nächsten man beschaun
und dieses Land zu meinem Tempel baun,
zur Freien Welt, denn bald ist sie befreit
von jeglicher Kultur und Menschlichkeit.

Wer heut dort lebt, wird schnellstens ausgerottet,
wer überlebt, ist ewig vogelfrei,
der Sklave wird als Untermensch verspottet,
auch nach dem Ende aller Sklaverei.
Nur wer als Weißer mit der Masse trottet,
hat ein paar Rechte, hat er Geld dabei.
Den Mantel, rasch! Zum Himmel hin, dem blauen:
du sollst sofort mein künftges Weltreich schauen!

Wohlan! Verstehst recht gut, den Mut zu dämpfen;
nun denn, jetzt will ich es auch selber sehn!
Und windet sich die Seele auch in Krämpfen,
ich kann nicht ändern, was noch wird geschehn.
Bizarres Bild! Aus Stein ein Ameishaufen,
welch Quaderfelsen seh ich vor mir stehn?

Ein Wohnfels ist’s, von dem auch mache springen,
wo Tausende von Menschen eingezwängt
den Abend und die Nacht verbringen,
bis sie’s zum Arbeitsfels am Morgen drängt,
wo sie dann werkeln an den vielen Dingen,
von denen ab der Sinn des Lebens hängt.
So stumpf und sinnlos ist es, was sie machen:
ihr Lebensinhalt sind nur solche Sachen.

So strömen nun von Fels zu Fels die Scharen,
Termiten ähnelnd, die nicht gerne ruhn,
um blöd in allen ihren Lebensjahren
das gleiche stets tagaus, tagein zu tun,
in pferdelosen Kutschen auszufahren
und Fernes anzusehn in kleinen Truhn.
Man hat der Dumpfheit Namen auch gegeben -
ihr ödes Dasein nennt sich: Arbeitsleben.

Auch wollen manche auf dem Schlachtfeld liegen
für Gott und Vaterland nach scharfem Drill;
sie werden manches andre Land bekriegen,
das nicht nach ihrer Weise leben will.
Es wird kein Volk der Erde sie besiegen,
darum hält alle Welt vor ihnen still,
und sie diktieren ihnen nicht vergebens
die freie Knechtschaft, ihren Weg des Lebens.

Ihr höchstes Ziel ist: über allen stehen,
das meiste anzusammeln mit Gewalt,
und muss man dafür über Leichen gehen,
ist’s nicht zu ändern, und dann geht man halt.
Sie mühen sich, ihr Tagwerk zu versehen:
wo Hände schwitzen, bleibt der Brägen kalt.
Der Geist, den mächtig du empor willst schwingen,
hat Platz gemacht den wichtigeren Dingen.

Wie emsig alle durch die Gegend laufen,
und nicht zur Linken noch nach rechts geblickt!
Als könne man die Freiheit sich erkaufen,
wenn man nur mit der Masse jauchzt und nickt.
Nach menschlichem und geistigem Ermessen
ist dieses Volk zur Freiheit nicht geschickt;
von Bosheit und von Religion besessen,
bekämpft man alles, was von andrer Art.
Jetzt lass die düstre Zukunft mich vergessen:
ich sehn mich nach der trüben Gegenwart!


Vivace

Wie ratlos steht vor den Naturgewalten
der kleine Mensch, vor seiner Schöpfung Born;
hab Haare, Hymen, Heere gar gespalten,
erlangte Satans Gunst und Gottes Zorn
und bleibe voller Ehrfurcht sprachlos stehen
vor einem unscheinbaren Samenkorn.
Zwar kann man seine Stärke noch nicht sehen,
die in der zarten Schale sich versteckt,
doch ist der Same reif, um aufzugehen,
durch Licht und Wasser seine Kraft geweckt.
Wie kann er nur die eigne Hülle sprengen
und wie die Erde, die ihn zugedeckt?

Das Leben wird zwar überall gefunden,
ganz gleich wohin wir auf der Erde gehn,
doch die Beschaffenheit auch zu erkunden,
gelang noch keinem: heut sollst du sie sehn!
So lass uns mit dem Mantel ein paar Runden
in diesem kleinen Samenkörnchen drehn:
du wirst am schnellsten zur Erkenntnis dringen,
erkennst du große in den kleinen Dingen!

Du willst uns in das Samenkörnchen zwängen?
Du willst doch nicht - da geht es auch schon los!
Erdhäufchen werden nun zu steilen Hängen,
bald sind die kleinen Gräser baumesgroß;
so pass doch auf! Ich fürchte ungelogen,
dass ich mich gleich am Gänseblümchen stoß!
Um Gottes willen, schlage einen Bogen!
Ist dieses Riesenmonster wieder fort? -
Fast wären wir dem Floh ins Maul geflogen!
Zu Hilfe! Hilfe! Glaube meinem Wort:
die Mücken werden beide uns erstechen!
Da steht das Körnchen; sind wir erstmal dort,
so hältst du an - das musst du mir versprechen.
Bist du verrückt? Wir knallen an die Wand!
Wir können diese Mauer nicht durchbrechen!

Und immer näher, größer! Wie gebannt
erwarte ich das Ende unumwunden,
doch plötzlich löst sich wie von Geisterhand
die Mauer auf und ist bald ganz verschwunden;
nur ihre Steine schweben durch den Raum,
und scheinbar ziellos drehn sie ihre Runden,
doch nicht wie Steine - nein, ich glaub es kaum:
sie ziehen ihre Bahnen so wie Sterne,
und ich durchstreif das Weltall wie im Traum.
Kometennebel seh ich in der Ferne
und große Sonnen hier und überall;
dass ich den Kosmos nun im Saatgut lerne!
Zwar kann man sehen, dass in manchem Fall
die imposanten Sonnen auch vergehen
in einem kolossalen Feuerball,
doch sind’s noch mehr, die dafür neu entstehen
und die es immer zu den Rändern lenkt,
da alle voneinander fort sich drehen,
als würden sie im Zentrum eingeschränkt.
Und damit ist die Frage abgehandelt:
Leben ist das, was neue Grenzen sprengt,
Leben ist das, was immerfort sich wandelt!


12. Ardente

Die schönste Frau, die je auf Erden lebte,
wird heute Nacht mit mir vereinigt sein -
wonach mein Herz und Sinnen immer strebte,
die Edelste der Edlen werde mein!
Mephisto, heute sollst du mich verwöhnen
und mich von meiner Einsamkeit befrein;
mein Dasein auf der Erde nun zu krönen
durch meines Lebens höchsten Lustgewinn,
beschwöre mir die Schönste aller Schönen!

Schon lange habe ich darauf gewartet,
dass du begehrst die schönste Frau der Welt,
die mit dir in ein neues Leben startet -
ich bin schon lange darauf eingestellt.
Sie alle sind besonders hübsch geartet;
ich ahne, wer am besten dir gefällt.
Die Namen brauche ich dir nicht zu nennen:
du wirst sie selber sicherlich erkennen.

Draupadi ist es, Hindu-Königin,
wohl eine der bezauberndsten Gestalten,
doch steht mir nicht nach einer Frau der Sinn,
die in dem Herzen keinen Stolz lässt walten:
die ihrem Mann verzieh, der sie als Pfand
verspielte, scheint nicht viel auf sich zu halten.

Und das ist Brigid, zierlich und charmant,
der Dichter Göttin, die in Irland wohnen.
Sie hat mir eine Seite zugewandt;
die andre gleicht dem Haupte der Gorgonen -
zu Stein erstarren muss, wer je es sieht:
mit solcher Schönheit magst du mich verschonen.

Und diese edle Frau ist Sulamith,
von deren Weisheit viele uns berichten,
die liebend sich mit Salomo beriet:
sie kennt wohl viel romantische Geschichten,
doch ich erwarte mehr von unserm Bund
als Rätsel lösen oder Lieder dichten.

Dort lacht mir Salome mit rotem Mund,
so zauberhaft, so schön und so durchtrieben,
die Grazie aus dem tiefsten Höllenschlund;
die Mordlust steht ihr ins Gesicht geschrieben,
und wer sie liebt, schwebt ständig in Gefahr
zu sterben, um sie bis zum Tod zu lieben.

Und diese ist gewiss Kleopatra,
von der die Konsuln und Cäsaren schwärmen,
in der Antonius sein Schicksal sah,
weshalb Oktavia sich musste härmen.
Sie hatte eine Nase für die Macht;
ich kann mich für den Zinken nicht erwärmen.

Doch wer ist, die so unergründlich lacht,
als würde sie ob meiner Sehnsucht scherzen?
Die Augen sind viel tiefer als die Nacht,
und doch so hell wie hunderttausend Kerzen;
die Liebe ist ihr liebster Zeitvertreib,
ihr Reichtum sind gebrochne Männerherzen.

Helena muss es sein, das Teufelsweib,
an deren Schönheit sich die Dichter laben,
die Dame mit dem Wanderunterleib,
die stets für schöne Männer ist zu haben
und unter ihrer Treuelosigkeit
das stolze Troja restlos hat begraben.

Die sei’s! Mephisto, halt sie mir bereit
und lass sie vom Olympos schnellstens kommen;
beeile dich, verliere keine Zeit!

Du musst dir selber schon dein Glück gestalten;
ich kann nicht gehen, aber sei getrost!
Poseidon, Hades, Zeus und ich verwalten
die Erde, aufeinander oft erbost -
ich habe nur das Abendland erhalten,
als wir des Kronos Erbteil ausgelost;
zuletzt versprachen wir vor allen Dingen,
nicht in der andern Reiche einzudringen.

Doch lass ich dir errichten eine Bühne,
von der du über ihre Liebe wachst,
damit du siehst, wie treulich ich dir diene,
dass du die Göttin dir zu Eigen machst:
in ihrem Tempel steht die Windmaschine,
mit der du ihres Herzens Glut entfachst.
Du wirst sie ohne jeden Kampf besiegen;
sie wird von selbst an deine Brust dir fliegen!

Ich komm! Ich komm! Ich hab den Ruf vernommen -
Helena, heute Nacht noch bin ich dein!
Nur rasch, nur rasch den Götterberg erklommen!

Mein Leben will ich nun der Liebe weihn,
der ich zur Liebe mich so spät ermannte,
und ewig treu wird mir die Göttin sein,
die doch als Menschin keine Treue kannte.
Nun will ich der Erfüllung Fülle sehn,
das Herz, das meinem Herzen nur entbrannte,
und auf der Liebe höchstem Gipfel stehn;
um zu befriedigen die edlen Triebe,
muss zum Olymp ich, zu den Göttern gehn.
Ach, dass ihr Herz doch nun beständig bliebe,
wo sie als Göttin einem Mann gefällt;
ach, wäre nicht die Liebe, ja, die Liebe
so fremd den Menschen und so fern der Welt!


13. Sfumato

Hier stehe ich in Helenas heilgem Tempel;
man hat mir eine Orgel gar gestellt,
dass ich von meiner Spielkunst ein Exempel
zum Opfer bring der schönsten Frau der Welt.
Bald wird der Klang ihr weiches Herz berühren,
dass am Olymp es sie nicht länger hält:
sie wird die Macht des Unbekannten spüren,
und wenn die zarten Töne sie vernimmt,
wird sie ihr Zauber in den Tempel führen
und für die Liebe ihre Brust gestimmt.
Wenn dann vom heilgen Feuer des Verlangens
der erste Funken ihr im Busen glimmt,
so wird das Herz nach kurzer Zeit des Bangens
sich finden an das andre Herz gepresst;
der Liebe Glück war nie so nah - wir fangen’s,
wir greifen es und halten stets es fest,
und, müssten wir es zwingen oder kosen,
wir sorgen schon, dass es uns nicht verlässt.

Doch halt! Es riecht nach Myrten und nach Rosen:
Die Göttin kommt! Schon füllt ihr Duft den Raum;
wie fühle ich der Seele Brandung tosen,
wie mühsam hält der Körper sich im Zaum,
als ich mich zögerlich nach hinten wende:
sie war nicht halb so schön im kühnsten Traum!

Dort kommt die Göttin! Sanft sind ihre Hände,
ihr Hals ist schlank und zierlich das Gesicht,
die Beine wohlgeformt und ohne Ende,
und eine schmalre Taille gibt es nicht;
in ihren zarten Armen zu sinnieren
muss köstlich sein, wenn sie von Liebe spricht.

Dort kommt die Göttin! Ihre Schultern zieren
die Locken ihres wunder-vollen Haars,
die tiefen Seen der Augen reflektieren
die Schönheit aller Welt wie lautres Glas,
die roten Lippen lächeln mir entgegen,
von deren Gift noch nie ein Mann genas:
ein Lächeln, so verwegen, so verlegen,
so hintergründig, offen und so rein,
muss wohl ein jedes Männerherz erregen.
Die Zähne strahlen weiß wie Elfenbein,
es lacht der Schalk aus allen ihren Zügen:
wie könnt ein Mann ihr nicht verfallen sein?

Dort kommt die Göttin! Gern wird sie sich fügen -
erfolgreich war Mephistos kleine List,
sie mit dem Orgelspiele zu vergnügen;
der Liebe großes Maß zu dieser Frist
ist voll, dass bald es überquellen müsste.
So stolz und aufrecht diese Göttin ist,
so stolz und aufrecht sind die edlen Brüste,
wie feste Schilde aus der Troer Reich,
vor denen niemand sich zu helfen wüsste:
der Gegner fällt zu Boden und wird bleich,
die größte Kampfeslust ist schnell zerronnen.
Und Eos’ sanftem Rosenfinger gleich
erstrahlen ihrer hehren Schönheit Sonnen
wie Morgenröte unter zartem Flor;
sie künden von olympisch höchsten Wonnen
dem Gott, an den sie je ihr Herz verlor -
denn zweifellos als Gott wird der sich fühlen,
den sich die Göttin für die Nacht erkor.

Die Seele brennt, und niemand mag sie kühlen:
zu kühlen ist die Seele nicht gewillt,
die früher nichts vermochte aufzuwühlen.
Dort kommt die Göttin! Welch ein göttlich Bild;
der Seele Sehnsucht nach dem ewig Schönen
ist heute und wird immerdar gestillt!

Was höre ich für wundersame Klänge?
Sie dringen so verzaubernd an mein Ohr
wie alter Götter längst vergessner Chor,
wie einer fernen fremden Welt Gesänge.

Was seh ich für ein wundersames Wesen?
Ein edler Fremder spielt in meinem Haus,
und schöner noch als Paris sieht er aus -
sein Haar ist lang und sein Geschmack erlesen.

Was fühle ich für wundersame Dinge?
Ein neuer Geist macht meine Seele schwer
und flattert wild und aufgeregt umher
in meinem Bauch wie tausend Schmetterlinge.

Nein, sag mir nichts von deinem schönen Spiele,
und sage mir auch niemals, wer du bist,
sag nicht, wo deines Körpers Heimat ist,
und sag vor allem nicht, was ich jetzt fühle;

Dass Wissen nicht die Neugier mir vertreibe,
wenn erst die Antwort deinem Mund entquoll,
und immer wieder neu geheimnisvoll
mir das Geheimnisvolle stets auch bleibe.

Erhabne Göttin, wenn mit solchen Tönen
ich schon verwirrte deinen edlen Sinn,
lass mich dich auch auf andre Art verwöhnen,
der ich dein willenloser Diener bin.
Kaum kann ich meine Sehnsucht dir beschreiben:
vor so viel Anmut sink ich kniend hin.
Bevor die Tempelwächter mich vertreiben,
erfülle mir die eine Bitte nur:
an deiner Seite lebenslang zu bleiben.

Erhebe dich, du sterblichster der Götter!
Dass länger hier im Tempel nicht verweilt,
der heute Nacht das Lager mit mir teilt:
erhebe dich, du sterblichster der Götter!

Leg deinen starken Arm um meine Hüfte,
dass ich den Kopf an deine Schulter lehn,
wenn wir gemeinsam zum Olympos gehn:
leg deinen starken Arm um meine Hüfte!

Wie oft ein Mensch wohl solche Gunst erfuhr:
wann brachte je ein Ständchen solch Belohnung?
Nun lass mich folgen deiner Rosenspur
und führe mich in deine Götterwohnung.


Vivace appassionato

Ich bin nun dein! Und nichts kann uns mehr scheiden!
Auf ewig eint uns nun der Liebe Band,
ruht in der deinen meine zarte Hand:
ein Menschenleben blüht das Glück uns beiden!

Und mögen uns die Götter auch beneiden,
um Schönheit mich und dich um den Verstand:
des Herzens Feuer ist mit Macht entbrannt,
und niemand kann den Liebsten mir verleiden.

Ich bin nun dein! Und ewig will ich’s bleiben,
in deiner Liebe blühen bis zuletzt:
kein Mensch, kein Gott wird mich von hier vertreiben!

An deiner Seite will ich bleiben jetzt
und mich mit Herz und Seele dir verschreiben,
bis einst den Mund der Lethe Wasser netzt.


Moderato accelerando

Selene, deine sanften Strahlen fließen
den Liebespaaren wärmend in der Nacht;
du wirst auch heut in ungekannter Pracht
das Licht aus deiner Silberschale gießen.

O Nyx, beschirme unser Glück und breite
den Mantel über unsrer Liebe aus.
Philotes, bleibe stets in unserm Haus
und weiche niemals mehr von unsrer Seite.

O Eros und Himeros, schenket heute
der Liebe Geist dem auserwählten Paar,
dass das Verlangen bleibe immerdar,
das Körper, Geist und Seele schon erfreute.


Animato

Bis einst den Mund der Lethe Wasser netzt,
der meine Lippen wild und zärtlich küsste,
der sanft liebkoste Schultern, Hals und Brüste
und anderswo in Zückung mich versetzt,

Bis einst den Weg des Fleisches geht zuletzt
der Liebste, der ein Gott mir werden müsste,
will dein ich sein im Garten süßer Lüste,
die sich in deinem Arm so glücklich schätzt.

Nun will mein Leben ich mit dir verbringen:
hier kann mein Herz, von Leid zu Leid gehetzt,
sich hoch empor zur höchsten Liebe schwingen.

Und wenn der Sensemann die Klinge wetzt,
so will ich noch im Tode von dir singen;
wie glücklich aber bin ich hier und jetzt!


Agitato

Wie zärtlich deine Augen mich umschlingen,
wie fest dein liebevoller Blick mich hält,
wie fein und lieblich deine Finger singen,
wie sehr mir diese Zweisamkeit gefällt;
es gibt nur uns, und gerade will’s mir scheinen,
als wären wir allein auf dieser Welt!

Die andern Götter gehn mir aus dem Wege:
aus diesem Grunde sind wir zwei allein.
Dies muss mein vorbestimmtes Schicksal sein,
das ich in deine sanften Hände lege.

Doch leb ich nur in deinem reinen Herzen,
und klopft es fordernd nur an meine Brust,
so bin ich deiner Liebe mir bewusst,
und alles andre kann ich wohl verschmerzen.

Leg meinen Schoß verlangend ich in deinen,
verspür ich unsrer Liebe große Macht -
doch was ist das? Was kann dies Schauspiel meinen,
wer hat sich dieses Stück wohl ausgedacht?
Ein Wetter ist am Himmel aufgezogen
und färbt ihn schwärzer als die tiefste Nacht.
Es kommt zu uns an den Olymp geflogen
wie großer Vögel tausendfach Gewirr
und scheint uns gerade nicht sehr wohl gewogen;
ihr lautes Krächzen macht die Menschen irr,
wie Grabgesang erklingt ihr hohles Flöten,
wie Kriegsheer ihrer Flügelschlag Geklirr!

Bei Zeus und Hera! Es sind Stymphaliden,
die zweimal vor den großen Helden flohn;
nun wagen sie sich zum Olympos schon
und rauben uns der Liebe hohen Frieden!

Aus Eisen ist ihr glänzendes Gefieder,
und ihre Mauser bringt den raschen Tod,
von scharfen Schnäbeln werden wir bedroht;
schon stürzen sie auf unser Haus hernieder!

Wir fliegen
und kriegen!

Wir schwirren
und klirren!

Wir flöten
und töten;

Ein jeder
durch Feder

Und Krallen,
metallen,

Mit Schnäbeln
gleich Säbeln!

Wir richten,
vernichten;

Wir kriegen
und siegen!

Ach Helios, helfe du in unsern Nöten
und schick von deinem Lichte einen Strahl
durch diesen Schwarm, der auszog, uns zu töten
durch seiner Flügel mörderischen Stahl,
dass niemand müsse unser Glück beweinen
und unsre Liebe siege dieses Mal!

Der Sonnengott scheint’s gut mit uns zu meinen:
durch diese Wolke, die den Himmel schwärzt,
lässt er uns seinen hellsten Lichtstrahl scheinen;
nun greife ich zu meinem Ring beherzt,
dass in dem Stein das Licht gespiegelt werde -
so wird ein jeder Kranich ausgemerzt!
Schon tropft der letzte Vogel auf die Erde:
dies ist der Stymphaliden letzter Fall,
dass dieser Schwarm nicht einen mehr gefährde!
Der blaue Himmel lacht uns überall,
die schwarzen Klapperkraniche zerfließen,
und aus dem heißen flüssigen Metall
lässt Zeus der Welt die Schwarze Rose sprießen.


Vivace

Wie glücklich aber bin ich hier und jetzt,
auch wenn die andern uns das Glück missgönnen.
Doch welche Listen sie sich auch ersönnen:
ich bin nun dein und bleib es bis zuletzt!

Dass unsre Lieb die Götter so entsetzt,
wird unsereiner nicht verhindern können.
Doch wenn sie Tag und Nacht Intrigen spönnen:
es wird ihr Anschlag in der Luft zerfetzt!

So lass sie intrigiern bei Tag und Nacht,
wir wollen ihren Hass geduldig leiden;
uns schützt ja meines Zaubers große Macht,
der immer wieder helfen wird uns beiden,
der uns den Wandel und den Schlaf bewacht
wie sanften Lämmern, die in Frieden weiden.


Adagio

Soweit die Augen und die Herzen reichen,
soweit der Abendsonne Strahlen glühn,
erblickt man unsrer edlen Liebe Zeichen:
in des Olympos sagenhaftem Grün,
in des Granatbaums Apfels rotem Feuer,
in allen Blumen, die am Wege blühn!
Nichts auf der Welt ist jemals mir so teuer
wie einzig und alleine nur dein Glück;
nur vorwärts führt uns unsres Schiffes Steuer,
und niemals wieder bringt es uns zurück
zu jenem, das wir hinter uns gelassen,
dem freudig wir entfliehen Stück für Stück!

Hörst du denn nicht ein felszerberstend Brüllen?
Ein Löwenrudel zieht vor unser Haus!
Sie machen einem jeden den Garaus,
durch sie wird unser Schicksal sich erfüllen:

Des Löwen von Nemea starke Kinder,
die er gezeugt, als er Medusa traf.
Daneben gleicht ihr Vater einem Schaf;
das Ungetüm, das sie gebar, nicht minder.

Sie können harten Stein zu Mehl zerbeißen,
die Erde bebt bei ihrem mächtgen Schritt,
sie können Städt’ vernichten durch den Tritt
und starke Zedern mit den Klaun zerreißen!

Vor diesen Tierchen sollte ich erblassen,
der ich durch größere Gefahren ging?
Mit ihnen will ich gerne mich befassen.

Ihr lieben Kätzchen, seht auf diesen Ring
und achtet auf den Wechsel seiner Farbe,
wenn ich des Hypnos’ Wiegenlied euch sing:

Schlaf ein, Endymion, du schönster Knabe,
doch schließe deine klaren Augen nicht,
die ich so herzlich lieb gewonnen habe.

Schlaf ein, doch zeige stets mir dein Gesicht,
dass sich mein Herz in deiner Schönheit sonne
und blühe in der süßen Augen Licht.

Schlaf ein, dass sich in diesem reinen Bronne
ein jeder Strahl der edlen Sonne bricht:
schlaf ewig, Mensch und Gott zu ewger Wonne!

Nun sieh, wie ich die Biester sanft und schlicht
ins Land der selgen Träumerein entführe:
alles erreicht, wer überzeugend spricht!
Dort ruhn die Löwen, dass man bald sie schüre,
den braven Schafen eines Hirten gleich;
und liegen sie auch ewig vor der Türe,
so bleiben sie doch stets in Hypnos’ Reich!


Adagietto

Wie sanften Lämmern, die in Frieden weiden,
so lauern uns die wilden Löwen auf;
sie rotten sich um unser Haus zuhauf,
und es wird immer schwerer, sie zu schneiden.

Zwar ist es uns nicht möglich, sie zu meiden,
doch hemmt dein Zauber sie in ihrem Lauf.
Sie kommen jetzt zu uns noch nicht herauf,
doch wann wird dieser Krieg sich je entscheiden?

Den Gott gibt’s nicht, der mir die Freude nimmt,
nicht bei den Christen und nicht bei den Heiden.
Und selbst wenn Zeus in heißem Zorn ergrimmt,
er wird mir nicht das liebste Gut verleiden:
das höchste Glück der Welt vorausbestimmt
war doch in Wahrheit lange schon uns beiden.


Presto

In deiner Liebe alle Welt zu lieben,
in deinen Armen alle Welt umarmt,
in deinem Liede alle Welt beschrieben,
an deinem Herzen alle Welt erwarmt,
so soll auch alle Welt mein Glück ersehen
und wie der Himmel meiner sich erbarmt!

Entquillt dies wilde ungestüme Schnauben
schon wieder der erregten Heldenbrust,
oder versucht erneut man uns bewusst
der Freude unsrer Liebe zu berauben?

Es ist der Eber mit den großen Hauern,
durch dessen Raserei Adonis starb,
als Aphrodite liebend um ihn warb;
wir werden seine Wut nicht überdauern!

Ihn zu besiegen wird dir nicht gelingen:
ihn hemmt kein Pfeil, kein Speer in seinem Lauf,
Heroen, Götter halten ihn nicht auf,
und seine Schwarte kann kein Schwert durchdringen!

Wenn ich nur seinen Hauern erst entgehen
und vor ihm auf den Rücken fallen kann,
so werde ich den Kampf mit ihm bestehen
und komm an seinen Unterleib heran.
Dann greif ich zu der schärfsten aller Waffen,
die vor mir erst besaß ein einzger Mann;
was keine Schwerter oder Pfeile schaffen,
schafft meines Ringes harter Diamant:
den wilden Eber nun dahinzuraffen!
Schon kommt das große Tier dahergerannt,
und ich gerat ein wenig doch ins Schwitzen
und starre auf das Monstrum wie gebannt:
ich seh die Mordlust unerbittlich blitzen
in seiner wilden Augen Feuerball,
doch es gelingt mir wirklich, aufzuschlitzen
des Ungetümes Bauch nach meinem Fall!
So ist kein Sterblicher mehr zu beklagen:
der Eber wütet nun in Hades’ Stall!

Fortan will ich die Haut des Ebers tragen,
denn die Trophäe steht mir gar nicht schlecht,
und die Hellenen werden von mir sagen:
Er ist ein Held! Adonis ist gerächt!


Allegro moderato

War doch in Wahrheit lange schon uns beiden
bewusst, wie sehr die Götter uns bedroht;
zwar hilft dein Zauber aus der größten Not,
doch wird den Untergang er nicht vermeiden.

Denn wenn die Götter Sterbliche beneiden,
dann kennt ihr Hass kein göttliches Gebot:
sie brächten uns am liebsten selbst den Tod,
und wer nicht sterben kann, soll ewig leiden.

Solang sie neiden, wollen wir nicht klagen,
denn ungeschoren blieben wir bis jetzt,
und sollte je ein Gott es wirklich wagen,
dass er den Frieden unsres Glücks verletzt,
dann wird von mir ihm ohne jedes Zagen
das Messer an den bloßen Hals gesetzt!


Maestoso

Wie einer schmiegen unsre beiden Schatten
sich an das abendliche Blumenfeld -
es trennt sie keine Macht auf dieser Welt:
sie liegen ewig auf den grünen Matten!

Und wem mag dieser Schatten wohl gehören,
der so bedrohlich neben unserm steht
und der es wagt, die Zweisamkeit zu stören,
die sanft die blütenschwere Luft umweht?
Was führt den düstern finsteren Gesellen
zu deiner Wohnung, an dein Blumenbeet?

Das ist Apollo, den dein Aug erspähte,
der immer wieder glücklos ist verliebt,
und der es mir noch immer nicht vergibt,
dass ich die Gunst des Hirtengotts verschmähte.

Ist der Olymp nicht die Wohnung unsterblicher Götter und heilig?
Was hat ein sterblicher Mensch auf diesem Berge verlorn?

Du brauchst dich schützend nicht vor mich zu stellen;
ich fürcht mich nicht vor seinem Angesicht,
das scheinbar keine Freude kann erhellen.
So ganz versteh ich allerdings auch nicht,
wie schrecklich Hirtengötter sind gestaltet -
das Wölfereißen ist wohl ihre Pflicht.
Zu deiner Frag: ich hab mich hier entfaltet,
der schönsten Frau zu sein der beste Mann,
der Lieb zuliebe, welche nie erkaltet,
doch geht das dich im Grunde gar nichts an,
denn hier hat Helena ihr Häuschen stehen,
wo sie doch wen sie will bewirten kann;
nun sag uns beiden brav Auf Wiedersehen!

Ich bin es, dem ihre Liebe gehört, drum verschwind vom Olympos -
gehst du nicht heut von hier fort, kämpfe ich morgen mit dir!

Ich lasse gern dir die Wahl unsrer Waffen im Streite! Bedenke:
ich habe Helden besiegt, du nie mit Göttern gekämpft!


Allegro con brio

Das Messer an den bloßen Hals gesetzt,
so wollen wir noch inniger uns lieben:
was Eros zueinander hat getrieben,
das trennt kein Gott, ganz gleich wie er uns hetzt.

Wer so der Liebe Mächte unterschätzt,
dem ist kein Herz am Herzen je geblieben:
im Buch der Liebe bleibt er unbeschrieben,
und wenn er noch so viel von Liebe schwätzt.

Ich bin zum Kampf mit diesem Gott entschlossen
und forder ihn zum Streite hier und jetzt;
nicht einmal erst ist Götterblut geflossen.

Und wenn Apollo auch das Messer wetzt
und droht mit seinen silbernen Geschossen:
noch hat es unsre Kehle nicht verletzt.


Presto assai

Hast du die Waffe gewählt, die dem Leben ein Ende bereitet
jenes unwürdigen Manns, der den Olympos entehrt?

Das Schwert, das Schwert wird unsern Kampf entscheiden:
es bringt dem Menschen einen schnellen Tod,
doch der Unsterbliche muss schrecklich leiden,
wenn er die Kraft des Gegners unterbot.
Mich schmerzt es nicht, wenn ich im Kampf verliere;
dir brächte eine Niederlage Not!

Soll denn ein Gott sich vorm Schwert eines sterblichen Mannes gar fürchten,
welcher noch niemals ein Schwert in seinen Händen geführt?

Dies Schwert braucht keinen Mann! - Komm her, pariere
des Gottes Streich mit aller deiner Kraft,
so dass er schwächlich fällt auf alle Viere!
Da hat er sich schon wieder aufgerafft:
jetzt reiß aus dem Gewand ihm einen Fetzen -
nun sieh, wie er verwundert dich begafft!

Was für ein Schwert ist’s, das deine Befehle gehorsam befolget?
Doch auch mit diesem wirst du niemals dem Tode entgehn!

Noch mussten wir Apollo nicht verletzen,
doch zeigst du hier schon deine große Macht
und wie du gar die Götter kannst entsetzen!
Der Sieg ist nur uns beiden zugedacht;
ertrage nicht, dass er dich noch verspotte,
ertrage nicht, dass er so höhnisch lacht,
und trenn das Haupt vom Rumpf dem stolzen Gotte!


Andantino

Noch hat es unsre Kehle nicht verletzt,
das Schwert des Damokles jedoch bleibt hängen
hoch über unserm Haus: die Götter drängen
verbissen auf Apollos Rache jetzt.

Nun hat Paiéon wieder aufgesetzt
das Haupt dem wilden Gott nach vielen Gängen,
und hält er endlich dich in seinen Fängen,
so wirst du wie ein Lamm vom Leu zerfetzt!

Unsterblich heißt nicht unbesiegbar sein:
nicht immer kann ein Gott den Kampf entscheiden.
Das sieht vermutlich selbst Apollo ein
und wird den Streit in Zukunft wohl vermeiden.
Wo nicht, da schützt uns meines Ringes Stein;
was kommt, wird meine Liebe nicht verleiden!


Andante con moto

Selten war die Götterwelt sich so einig:
die sich einst bekämpften, versuchen heute
jenen ungebetenen Gast zu töten,
den du gebracht hast.

Auf mein Bitten hat nun Hephaistos’ Schmiede
einen großen magischen Schild gefertigt,
der euch schützen wird vor Geschossen, Schwertern,
sämtlichen Waffen!

Wenn die Götter eure Gemächer stürmen,
haltet ihnen nur diesen Schild entgegen:
machtlos wird man euch gegenüberstehen,
hilflos sich trollen.

Dass Aphrodite steht auf unsrer Seite,
das scheint recht seltsam und befremdlich mir -
ich glaubte es am ehesten von ihr,
dass sie mit all den andern Göttern streite!

Auf ihre Hilfe hätt ich nicht gewettet,
so unstet ist ihr Freundschaftsdienstverlauf:
sie hat an Paris billig mich verkauft
und vor des Menelaos Schwert errettet.

Sei's drum, auf ihre Hilfe uns zu stützen,
das wird für uns von großem Vorteil sein:
wir sind im Kampfe länger nicht allein
und können uns vor jedem Anschlag schützen!


Adagio

Was kommt, wird meine Liebe nicht verleiden:
selbst wenn man des Olympos mich verwies
und aus dem Kreis der Götter mich verstieß -
nie würde ich mich gegen dich entscheiden!

Und müsst ich mich in Leinensäcke kleiden,
nachdem den Sitz der Götter ich verließ:
solang ich deine Liebe noch genieß,
wird mich ein jeder um mein Glück beneiden.

Ich habe dir mit meinem Orgelspiele
den wundervollen Götterkopf verdreht
und ahnte nicht dabei, was ich erziele:
dass bald uns der Olymp entgegensteht
und sorgt, dass meine liebste Göttin fiele:
verzeih, mein Herz, was zu verzeihen geht!


Prestissimo

Vom kopflosen Apollo angeführet
zieht schon der Götter Heer vor unser Haus:
komm, gehen wir zu ihnen rasch hinaus,
wie einem tapfern Helden es gebühret!

Die Kinder Zeus’ verlangen unser Ende:
sie neiden unsre Liebe, unser Glück -
selbst Ate holt man zum Olymp zurück,
dass sie im Kampf die Liebenden verblende!

Auch Hera, seine Schwester und Gemahlin,
kämpft mit, die wie ihr eignes Kind mich hasst,
Athena hat die Lanze schon umfasst,
die manngeborne, Hades auszuzahlen!

Siehst du das Blitzen in den Augen Ares’,
des Herakles entschlossenes Gesicht
und Artemis, die Todesgöttin, nicht?
Es ist ganz sicher etwas Sonderbares,

Die Einigkeit der kriegerischen Recken,
und hättest du den Schild nicht und das Schwert,
so blieb ich nicht als Göttin unversehrt,
sie würden mich zu Tode sicher schrecken!

So mach sie nun mit deinem Schwerte nieder,
dem schon Apollo peinlich unterlag,
doch treibe es mit ihnen nicht zu arg:
sie sind doch meine Schwestern, meine Brüder!

Du willst dir deinen Lorbeer wiederholen
und glaubst, ich könnte euch nicht widerstehn,
der mir die stärkste Waffe ist befohlen?
So lasst uns nun zur Schlacht der Schlachten gehen
und mich die Götter des Olymps entehren,
die den Bezwinger vor sich stehen sehn!

Heute wirst du von den Göttern gerichtet, und deine Gebeine
wird weder Erde noch Staub decken, das schwöre ich dir!

Ich werde selber dich töten, und ich trage selber die Sorge,
dass deine Leiche verfault ohne begraben zu sein!

Glaubst du! Du wirst nur deinen Spott vermehren,
denn unbesiegbar ist der große Held,
und gegen ihn kann sich kein Gott erwehren!
Nun komm, mein Schild! schlag zu, mein Schwert! Gesellt
euch zu dem Streit, zum großen Blutvergießen:
beschützt das friedevollste Paar der Welt
und lasst gleich Wein den schwarzen Ichor fließen!


Allegretto

Verzeih, mein Herz, was zu verzeihen geht;
dass meine Liebe, die dich hat verleitet,
dir so viel Leid und Ungemach bereitet
und ins Gesicht der Götter Wind dir weht!

Dass trotzdem deine Liebe noch besteht,
dass sie mich stets auf Schritt und Tritt begleitet
und gegen starke Götter für mich streitet
ist mehr, als ich vom Schicksal je erfleht.

Du nicht, du hast mich nicht zunicht gemacht:
ich selbst, ich selbst beschwor uns das Verderben.
In meiner Einfalt habe ich gedacht,
ich könnte hier das höchste Glück erwerben;
ich selber habe all das Leid gebracht,
ich stürzte dich ins Unglück durch mein Werben!


Prestissimo possibile

Zu jenen Göttern, die uns beide hassen,
hat sich Poseidon nun dazugesellt;
wie hat er die Ägäis aufgeschwellt,
wie drohend wälzen sich die Wassermassen!

Wie Halme sieht man große Zedern weichen,
und nun verliere gänzlich ich den Mut;
schon schwillt um den Olymp die Wasserflut,
und unsre Wohnung wird sie bald erreichen!

Ach, dass wir unser Haus am Gipfel hätten,
wo uns das Wasser nicht zum Halse steht
und wo die Liebe nimmer untergeht;
kein Ring, kein Schwert, kein Schild wird hier uns retten!

Lass alle Diener deines Tempels kommen,
solang der Weg, die Straßen frei noch sind:
nur rasch, nur rasch den Götterberg erklommen!

Dass unsre Liebe diesen Kampf gewinnt,
müsst eine hohe Mauer ihr errichten
um diesen Garten, gründlich und geschwind:
Poseidon will durch Sturmflut uns vernichten,
drum müsst ihr schneller als das Wasser sein!
Ihr dürft nicht müde werden aufzuschichten
mit allen euren Kräften Stein auf Stein,
bis sie die Höhe jenes Hangs erreichen,
auf dem erblüht der nächsten Götter Wein.
Ich weiß, es ist ein Auftrag ohnegleichen,
doch steht der Turm, zu dem ich euch gedrängt,
wird auch der Gott des Meeres wieder weichen,
da er der andern Götter wohl gedenkt,
mit denen er verbleiben will im Guten:
denn wenn Poseidon jetzt noch uns ertränkt,
so muss er auch die andern überfluten!


Sostenuto

Ich stürzte dich ins Unglück durch mein Werben,
hielt ich dich auch nur einen Tag noch fest,
an diese liebend heiße Brust gepresst;
wo du nicht gehst, da werden wir verderben.

Und oftmals denk ich an den Tod, den herben,
als den Erlöser. Halte mich ganz fest,
bevor du mich zu unserm Heil verlässt;
ich möchte, doch ich kann und darf nicht sterben.

Du hast mir doch vor ungezählten Tagen
der Liebe Samen in das Herz gesät;
nun hat er Wurzeln in den Stein geschlagen,
die Blume blüht in holder Majestät.
So kann ich dir kein Lebewohl mehr sagen,
weil es zur Umkehr leider schon zu spät!


Andante

In diesen Mauern werden wir verschmachten:
zwar schützt uns dieser kolossale Turm
vor Wasserfluten und vor jedem Sturm,
doch wird er ewig unser Heim umnachten!

Ich hätte in die Wälder dir Delfine
und wilde Eber in das Meer gemalt,
damit du siehst, wie selbstlos ich dir diene.
So treulich wird mein Mühen nun bezahlt,
dass dir zum Schutz ich ließ die Mauer bauen:
du klagst, dass uns die Sonne hier nicht strahlt,
und brauchst doch auch die Sturmflut nicht zu schauen!

Das Dunkel lässt mich den Verstand verlieren;
Geliebter, kannst du diesmal mir verzeihn?
Wir dürfen uns auf keinen Fall entzwein,
dass kampflos nicht die Gegner triumphieren!


Calando

Weil es zur Umkehr leider schon zu spät,
wird meine Liebe endlich dich vernichten.
Du wolltest, konntest nicht auf sie verzichten;
das Herz ist taub, wenn der Verstand ihm rät.

Doch wenn auch unsre Liebe nie vergeht:
bald werden uns die ewgen Götter richten
und hohle Klagen gegen uns erdichten,
so dass dein Zauber nicht vor Zeus besteht!

Ich hätte Gold dir aus dem Styx gesiebt,
um deine zarte Liebe zu erwerben,
die mich so sanft und selbstlos hat geliebt.

Uns beiden wird die Liebe nicht ersterben;
nun, da es kein Zurück für uns mehr gibt,
bringt meine Lust uns beiden das Verderben.


Andantino

Nun kommen noch Apollos schwarze Raben:
sie rauben uns das letzte Tageslicht,
und auch sehr sauber sind die Vögel nicht,
die keine Würde, kein Benehmen haben.

Es sind zu viele dieser Tagediebe -
dein Schwert, es rottet längst nicht alle aus;
sie sitzen auf der Mauer und im Haus
und scheißen auf die allerhöchste Liebe!

Das widerlichste, was uns je bedrohte:
noch schlimmer werden kann es nun wohl nicht!
Und dort, mit einem Grinsen im Gesicht,
steht Hermes vor uns, er, der Götterbote.

Mich schickt Apollo, letztmals zu warnen euch:
er wird nicht ruhen, kehrt nicht der Fremde heim,
zurück ins Land der Blinden Folger,
wo er den eigenen Gott bekämpfe!


Lento

Bringt meine Lust uns beiden das Verderben,
bringt meine Liebe Elend und Verdruss?
Wie teuer, Liebster, zahlst du jeden Kuss,
wie teuer musst du dir mein Herz erwerben!

Schon bald muss unsrer Liebe Blüte sterben,
so wie der Mohn dem Sturme weichen muss,
dem Hagelschauer und dem Regenguss,
doch bleibt die Wurzel fest trotz aller Kerben.

Kein andrer mag die Blüte wohl ermessen,
in welcher unsre edle Liebe steht:
die Pracht, die Mensch und Götter nie besessen!

Und wie der zarte Mohn im Sturm vergeht,
so wird man unsre Namen bald vergessen:
als Flugsand werden wir vom Wind verweht!


Vivace

Empfing nicht mancher schon die Götterweihe,
der deinem Schwert nicht konnte widerstehn?
Lass uns zu Zeus, dem Göttervater, gehn,
dass er auch dir Unsterblichkeit verleihe!

Wird Zeus dich erst an den Olymp erheben,
zum Gott dich machen in der Götter Reihn,
wirst du mit ihnen ausgesöhnet sein
und ewiglich an meiner Seite leben!

Ein Gott! Wie lieblich klingt es meinen Ohren.
Unsterblich! Keine Hölle und kein Tod;
ich fühle mich so gut wie neu geboren!
Kein Gott, kein Teufel, welcher mich bedroht:
als Gott ein neues Leben nun beginnen
mit jener Göttin, die die Hand mir bot,
so werde ich Mephisto gar entrinnen!


Ritenuto

Als Flugsand werden wir vom Wind verweht,
sollt Zeus dich zu den Göttern nicht erheben,
dass wir fortan als Gott und Göttin leben
und unsrer Liebe nichts im Wege steht.

Doch sollt er hören, wenn die Tochter fleht,
Unsterblichkeit dem Sterblichen zu geben,
so siegte endlich unser heißes Streben
nach jener Liebe, welche nicht vergeht!

Es zieht die Liebe ewig himmelwärts,
und sollte man uns unsres Glücks enterben,
unüberwindlich wäre unser Schmerz.

Die Trennung wäre beiden uns Verderben,
als müssten wir entreißen unser Herz,
ja, in getrennten Höllen ewig sterben!


Maestoso

An den Olympos soll ich nun erheben das sterbliche Menschlein,
das so viel Unruhe stiftet am Sitze der ewigen Götter?
Wärest du, Helena, Schönste nicht unter den Töchtern des Höchsten,
göttlichste unter den Weibern und weiblichste unter den Göttern,
lachte ich höhnisch dir in das Gesicht ob solch stolzen Begehrens!
Aber du weißt viel zu gut, dass dein Vater dir nicht eine Bitte,
nicht einen Wunsch kann versagen, obwohl du doch wieder und wieder
Ärger gestiftet hast zwischen den Welten der Götter und Menschen:
wie viele schicktest du durch deine Treulosigkeit in den Hades,
als du, bald müde geworden des eigenen Gatten, nach Troja
flohst mit dem Prinzen des feindlichen Landes, den Krieg zu entzünden,
der wie kein anderer Blut von den Helden und Müttern gefordert,
Kindern und Greisen; ich habe die Blutschuld nicht sühnen dich lassen,
hab Aphrodite geschickt, dass vorm Schwert sie die Tochter errette
und dich auf Bitten Apollos nur, deines olympischen Gatten,
zu den unsterblichen Göttern erhoben, dass Tod euch nicht trenne!

Drängst du mich nun, deinen neuen Geliebten wie du zu vergöttern,
soll er die Möglichkeit haben, sich wirksam als Gott zu bewähren:
wird er die Spindel der Göttin des Schicksals, Moira, mir bringen,
ohne ein menschliches Wesen dabei auf dem Weg zu berühren,
soll er als Gott unter Göttern mit dir am Olymp ewig leben! -
Wo er versagt, muss zurück in das Land Blinder Folger er kehren:
du wirst dorthin ihn begleiten und so lange mit ihm dort leben,
bis ihn Mephisto nach Ablauf der Zeit in die Hölle wird holen.
Dich aber, Helena, werde ich dann in den Tartaros stoßen,
treulose Göttin, und du wirst in ewigen Wehen dort liegen,
Schmerzen erleidend wie niemand zuvor, und doch niemals gebären!


Allegro moderato

Ja, in getrennten Höllen ewig sterben,
das wär die wahre Hölle erst für mich.
Die Hölle wird zur Hölle ohne dich:
wie selig wär’s, gemeinsam zu verderben!

Doch läge morgen unser Glück in Scherben,
weil dir das deine von der Seite wich,
und öffneten die Höllen beide sich:
nie reute mich, dass ich erhört dein Werben.

Ich bring die Spindel ihm so schnell ich kann
und werde jegliche Gefahr vermeiden,
und kein Olympier wird uns beiden dann
noch unser ewges Götterglück verleiden.
So sieh dir einmal noch den Helden an:
ich bin nun dein! Und nichts kann uns mehr scheiden.


Vivace

Im Leben hätt ich’s mir nicht träumen lassen,
der Schicksalsgöttin je so nah zu sein,
den eignen Lebensfaden zu umfassen,
zu trinken der Moira süßen Wein
mit ihr an allen Weltgeschehens Bronne,
doch besser noch ist dieser Wein vom Rhein!

Bessrer Wein noch als der, den ich dir schenkte ein?
Das mag glauben wer will - ich glaub es sicher nicht!
Warum trinkst du ihn lieber,
und wo kommt dieser Tropfen her?

Weit fort, im Land der untergehnden Sonne,
wächst eine Rebe, eines Gotts Geschenk,
die allen Menschen blüht zu Lust und Wonne,
der beste aller Weine, wie ich denk:
sehr fruchtig, rassig, lieblich unterdessen,
doch nicht so süß und schwer wie dies Getränk.

Nun, so schenke mir ein! Dennoch, ich wette drauf,
dass der meine besteht; aber verlange ich
doch von dir die Amphore,
nimm dir, was du nur haben willst!

Wär meine Bitte nicht so sehr vermessen,
so wünschte ich die Spindel mir von dir,
die mancher andre gerne hätt besessen;
gern läse ich die Zukunft wohl in ihr,
doch darfst du ja dein Werkzeug nicht vermissen,
und so erbitt ich etwas andres mir.

Was ich sage, das gilt! Himmlischer ist kein Wein,
Nektar lieblicher nicht, kühlender kein Getränk;
diesen Wein muss ich haben -
meine Spindel gehört nun dir!

Jetzt schon fühl ich die Glut feurigen Rebensafts,
meine Sinne berauscht und mein Gemüt erhitzt:
an die kräftige Schulter
lass mich legen den schweren Kopf!

Verzeih mir, Göttin, gerade du musst wissen,
dass ich erwartet werd vom schönsten Kind -
ich wär geplaget von Gewissensbissen,
ließ ich sie warten; nur geschwind, geschwind!


Ritardando

Im todgeweihten Kahn kommst du geschwommen
und willst jetzt weiter zu den Göttern fort,
doch hast du unser Singen erst vernommen,
so zieht es dich an diesen schönen Ort;
uns zu erhören wirst du eilen,
du wirst vergessen deiner Liebsten Wort
und gerne hier mit uns verweilen:
der ewgen Schönheit dich erfreun,
die ewge Jugend mit uns teilen,
des ewgen Frühlings Liebling sein
und vor dem Strand zerschellen;
auch davor wirst du dich nicht scheun
und reitest durch die Wellen:
nun komm, beeile dich!
Denn wer der Liebe Quellen
ernst und wahrhaftiglich
sich will erstreben,
der opfert selber sich
wie auch sein Leben;
drum hat dafür
sich aufzugeben,
wer ganz sich ihr
verschriebe,
und so ist hier
der Triebe
Gebot:
die Liebe
im Tod.

Ich werde eurem Blick sogleich entschwinden,
ganz ohne dass ihr meinen Tod genießt,
denn stärker noch als Ketten, die mich binden,
als Wachs, das schützend mir das Ohr verschließt,
sorgt eine Macht, dass dieser nicht erblindet:
dass mir der Liebsten Geist im Herzen fließt,
ihr Bildnis eure Schönheit überwindet,
verlockender noch ihre Stimme wirbt,
dass sein Bewusstsein der Versuchte findet
und lieber ewig liebt als einmal stirbt!


Allegro

Hier kommst du nicht weiter,
du kannst mich nicht meiden,
und jeden Menschen muss ich töten,
der nicht das große Rätsel löset!

Du Löwenvogelmenschin kannst nicht schrecken
den Mann, der stolz den Stein der Weisen trägt.
Dein Rätsel, Sphinx, will ich sogleich entdecken,
und habe auch im Geiste lang bewegt
so mancher Weise deine schwere Frage:
bei mir wird rasch und gründlich überlegt!

Zu Hohem geboren,
zu Niederm erzogen,
so strebt der Mensch sein ganzes Leben
dem höchsten Niedrigen entgegen.

Ein Bäumchen er pflanzte,
das ewig wird wachsen,
doch wird ihm nie ein Spross entstehen,
da Fremde alle Frucht verzehren!

Die Arbeit ist es! Dass sie Wurzeln schlage,
wird sie gepflegt, begossen früh bis spät,
auf dass nach kurzer Zeit sie Früchte trage:
die ernten jene, welche nicht gesät,
und fressen alle auf mitsamt den Kernen,
so dass kein Same auf den Grund gerät!

Du hast nun als Erster
gelöset das Rätsel,
und einem Mann von deinem Geiste
will gern ich meine Gunst erweisen!

Um Ja zu sagen müsst ich viel verlernen:
der Zahn, die Kralle hätte mich verletzt,
drum will ich lieber eilend mich entfernen,
bevor die Frau zum Sprunge angesetzt.
Nun hör ich hinter mir sie tierisch kreischen:
sie hat die Klauen einmal noch gewetzt,
sich selber unerbittlich zu zerfleischen!


Moderato

Warum so trübe, lieblicher Jüngling?
Schön ist die Liebe, schön ist die Nacht!
Lass dich berühren, lieblicher Jüngling,
lass uns verführen dich heute Nacht.

Lasst einfach mich an euch vorübergehen;
ich halte mir auch meine Augen zu,
damit ich eure Schönheit nicht muss sehen,
sonst wäre ich von euch verführt im Nu!
Schaut fort nun, greift nicht ein in das Geschehen,
und lasst den armen schwachen Mann in Ruh!

Zeus ist der Vater, wir seine Töchter,
unser Berater stets ist sein Geist.
Er ist ein Kenner: wir, seine Töchter,
lieben die Männer, lieben den Geist!

Der Götter Gott wird überall uns sehen,
vor dessen Zorn dem Herzen schrecklich bangt:
ich will doch meine Prüfung hier bestehen,
ganz ohne dass des Donnrers Urteil schwankt.
Den Ruhm zu ernten, der mir muss gebühren,
bring ich die Spindel, die er hat verlangt,
und keinen Menschen darf ich nun berühren!

Nymphen sind Götter und keine Menschen,
ist manchem Spötter beides auch gleich:
lieben dich Nymphen und keine Menschen,
wird Zeus nicht schimpfen - du wirst ihm gleich!


14. Cantabile

Ich bin nun dein! Und nichts kann uns mehr scheiden,
bis einst den Mund der Lethe Wasser netzt;
wie glücklich aber bin ich hier und jetzt!
Wie sanften Lämmern, die in Frieden weiden,

War doch in Wahrheit lange schon uns beiden
das Messer an den bloßen Hals gesetzt.
Noch hat es unsre Kehle nicht verletzt -
was kommt, wird meine Liebe nicht verleiden!

Verzeih, mein Herz, was zu verzeihen geht;
ich stürzte dich ins Unglück durch mein Werben.
Da es zur Umkehr leider schon zu spät,
bringt meine Lust uns beiden das Verderben:
als Flugsand werden wir vom Wind verweht,
ja, in getrennten Höllen ewig sterben!


15. Finale: Largo

Und das ist alles? Wie die Götter lieben
und jeden Liebeskummer leicht verschmerzt,
in manchen Armen über Nacht geblieben,
so manche Frau und Göttin gern geherzt,
das Wörtchen Nein nicht auf die Lippen bringen
und dadurch die Unsterblichkeit verscherzt?

Und das ist alles? Um die Freiheit ringen
für jeden, der an schwerer Kette lebt,
doch statt sich aus dem Staub emporzuschwingen
so wie der Strauß den Kopf im Sand vergräbt
und glaubt es hilft, die Türen zu verrammeln,
wenn draußen sich der Hurrikan erhebt?

Und das ist alles? Wissen anzusammeln,
dass nicht das kleinste bisschen Neugier bleibt,
allwissend deine Tage zu vergammeln
des Lebens, das wie zäher Brei dich treibt,
an dem du das Interesse hast verloren,
nachdem du alles dir hast einverleibt?

Das ist wohl alles. Nichts bleibt dem Doktoren,
dem keine Macht der Welt Erfüllung bringt.
Ich will - und weiß nicht was! Umsonst geboren,
umsonst der große Wurf, der nie gelingt,
umsonst, am Glück und an der Welt zu schmieden:
den Menschen dürstet es, solang er trinkt -
kein Weg, kein Ziel stellt seinen Geist zufrieden!


Andante sostenuto

Mein Wagner! Welche Freude, dich zu sehen;
wie lange hab ich nichts gehört von dir!
Ich Dummkopf kann zwar nicht so ganz verstehen,
dass du in einer Kutte kommst zu mir,
doch komm nur! lass ein Gläschen Wein dir munden,
und sage mir zuerst: was machst du hier?

Ich komm, ein ernstes Wort mit Euch zu sprechen -
ich denke, es ist allerhöchste Zeit:
einst wird sich Gott für jede Sünde rächen,
seid Ihr zur Buße nicht bereit!

Ihr wart mir stets besonders wohl gewogen,
doch Euer Wandel hat mich abgeschreckt;
so bin ich in ein Kloster eingezogen
und habe dort den Herrn entdeckt!

Der Herr ist schrecklich, aber welch Entzücken
bereitet ihm und tausendfache Lust,
kann den verlornen Sohn er endlich drücken
an seine liebe Vaterbrust!

Noch ist es Zeit: ergreifet seine Gnade
und willigt nur in seine Liebe ein;
um einen Mann wie Euch wär’s viel zu schade,
der Hölle Untertan zu sein.

Versucht Euch aus des Satans Bann zu lösen,
den irdschen Dingen, die der Leib begehrt;
bereut, entsagt nur fernerhin dem Bösen
und lebt wie Christus hat gelehrt.

Nehmt Eure Lene endlich auch zum Weibe,
die Euch seit Jahren Liebesdienste tut -
es ist, wer gut genug zum Zeitvertreibe,
als Ehefrau genauso gut.

Auch eine Gattin kann den Hunger stillen,
drum handelt schnell, noch ist es Gnadenfrist;
um Lenes und um Eurer Seele willen
und Eures Sohns, so’s Eurer ist.

Ich kann es nicht! Du rührst in meinen Wunden,
ich werde es mir selber nie verzeihn:
ich habe mit dem Teufel mich verbunden
und löste bei ihm meine Seele ein -
er wird mir auf der Erde allzeit dienen,
und dafür bin ich nach dem Tode sein!

Ihr wart doch als Jurist einst sehr gewichtig,
erinnert Ihr die kleinsten Dinge nicht?
Verträge sind von Anfang null und nichtig,
sobald sie eine Seite bricht.

Bedenkt es nur am Beispiel Eures Falles:
seid ihr in jeder Wissenschaft begabt,
wisst Ihr nun, wie versprochen, wirklich alles,
und habt Ihr jede Frau gehabt?

Versprach der Satan Euch mit süßem Munde
die Dinge, die er niemals halten kann,
so seid Ihr frei von Eurem Teufelsbunde
und wisst: Gott nimmt Euch immer an!

Drum solltet Ihr nun Euer Haupt erheben!
Kein Grund, dass vor des Herrn Gericht Euch graust:
wer viel geliebt hat, dem wird viel vergeben,
und niemand liebte so wie Faust!

Das wär der Ausgang aus der Hölle Minen,
der letzte Weg aus meinem Ungemach,
die Rettung, die unmöglich mir erschienen.
Drum sei gewiss: ich denk darüber nach!


Presto

Ach, schöne Frau, der ich mein Leid befehle,
Ihr werdet helfen, spür ich’s doch genau:
ich will nicht, dass mein Freund sich weiter quäle -
er denkt zu viel, drum scheint ihm alles grau,
und von der Trübheit seiner frommen Seele
erlöst ihn nur die Liebe einer Frau.
Zehn Gulden will ich Euch im Voraus geben,
und weitre zehn, erweckt Ihr ihn zum Leben!

Wen würde ich um diesen Preis nicht lieben?
Ich habe schon für weniger verschrieben
mein Herz so manchem ungestalten Mann;
nun sagt mir schnellstens, wo ich finden kann
den Herrn, den Kummer hat so weit getrieben!


Vivace

Herr Faust, Herr Faust! Ich will zu Euch mich setzen,
vernahm von Euren großen Geistesschätzen -
ich hoffe doch, dass mein Besuch nicht stört;
von Eurer Weisheit hab ich viel gehört
und würde gern ein Stündchen mit Euch schwätzen.

Man sagt, Ihr könntet jeden Stern benennen,
der Frauen Herzen mühelos entbrennen!
Ich komme ungebildet nicht hierher,
doch gerne lernte ich von Euch noch mehr;
das Wunder gar des Lebens sollt Ihr kennen!

Nun ja, ich kenn mich aus mit Fraun und Sternen;
so komm in meine Wohnung doch hinein!
Wir beide haben vieles noch zu lernen:
dein Wesen scheint dem meinen gleich zu sein -
natürlich darfst du meiner Weisheit lauschen,
bist du dafür nur heute Abend mein,
dass mit Gewinn wir unsre Gaben tauschen!

Wo Gleiches liebend sich zum Gleichen findet
ein Narr, wer liebend sich nicht gleich verbindet!
Ich sehe schon: das Feuer ist entfacht,
drum rasch das Lager am Kamin gemacht,
bevor der Reiz des Augenblicks verschwindet.


Perdendosi

Mephistophela! Kommst du, mich zu holen?
Ich weiß, um welche letzte Gunst ich bat;
dir hab ich meine Seele anbefohlen
und bin bereit zu meiner Höllenfahrt.
Ich folge deinem Rufe ohne Klagen,
wenngleich du mich auch oftmals hast genarrt.

So ist dir doch dein starrer Sinn geblieben:
du flehst um Gnade und Bewährung nicht!
Nachdem du unbesonnen hast betrieben
mein teuflisch Werk mit menschlichem Gesicht,
geht Luzifer, dem du dich einst verschrieben,
mit seinem Diener heute ins Gericht.
Du bist im Leben nie mein Herr gewesen:
du warst ein gutes Werkzeug stets des Bösen!

Ob gut, ob bös; was hat das noch zu sagen?
Ich gab mein Wort, ich halte es auch ein -
was soll ich nach Vergangenem noch fragen?
Doch eines, eines wünsch ich mir allein:
mit dir die Ehe endlich zu vollziehen;
du sollst die letzte Frau statt dieser sein!

Gern würde ich dir diese Gunst erzeigen,
doch musst du mich verstehen: schwerlich nur
wird wohl dein Körper deinen Geist besteigen,
durch den er so viel Lust und Leid erfuhr.
Beendet ist nun deines Daseins Reigen
und abgelaufen deine Lebensuhr.
Ich weiß, du kannst die Worte nicht erfassen:
du wirst in deiner Höll allein gelassen!

Vergebens hab ich dir mein Ohr geliehen:
wie soll ich das, was du gesagt, verstehn?
Willst du vor Faustus aus der Hölle fliehen?
Soll ich womöglich nicht zur Hölle gehn?
Und was hast du mit meinem Geist zu schaffen?
- Ich kann den Sinn der Rede schwerlich sehn.

Der Mensch will ständig große Dinge wagen,
ein Drang, der seiner stolzen Brust entquillt;
doch fürs Misslingen auch die Schuld zu tragen
ist seine eitle Seele nicht gewillt:
drum schuf er einst für alle Lebenslagen
sich Gott und Teufel selbst nach seinem Bild
und kann sich durch sein eigenes Erdichten
den Himmel und die Hölle selbst errichten.

Von deiner trüben Seele früh geboren,
wuchs ich in deinem Geist behütet auf;
sobald ich groß war, hast du mich beschworen
und botest meine Mutter zum Verkauf.
Du hast als Sündenbock mich auserkoren
und ließt den Dingen arglos ihren Lauf.
Ach, dass man es in Feuerlettern schriebe:
nur du, du selbst bist Weisheit, Bosheit, Liebe!

So sieht nun Faust den Abgrund vor sich klaffen,
nachdem er so viel Elend hat gebracht;
er schlug sich selbst mit seinen eignen Waffen,
der nie die Folgen seines Tuns bedacht,
und Mephistopheles war in den Jahren
ein Spuk des Geistes, der ihn ausgelacht.
Darüber ist er sterbend sich im Klaren:
wohin, wohin wird nun die Seele fahren?


Scherzando

Hat denn der Himmel mit mir kein Erbarmen?
Grad lag ich noch an seiner Brust, der warmen,
das Knistern des Kamins drang uns ans Ohr,
da zuckte eine Flamme hoch empor -
nun liegt der Liebste tot in meinen Armen.



Chor der Satyrn

Waldrand. Ein schmaler Bach plätschert in einem kleinen Wasserfall hinunter.
Im Hintergrund ist der Eingang des Labyrinths zu sehen, unter einem Rosenstrauch liegen ein Ring, ein Schwert und ein Schild.
Silenos, Satyrn (darunter Ampelos, Anios und Battos) und Nymphen sind gesellig zusammen,
lassen die Amphore kreisen oder vergnügen sich anderweitig miteinander.
Zwischen ihnen laufen mehrere Lämmer.

Silenos:
Wie lang Dionysos nun schon im Irrgarten,
im Labyrinth des Minotauros irrt umher,
dies sagenhafte Fässchen Wein zu entdecken,
das jenes Ungeheuer sich versteckt hatte,
bevor es auf den großen Heros Theseus traf!
Fast denke ich, wir sollten unsern Gott suchen,
weil er allein bestimmt den Ausweg nicht findet.

Ampelos:
Ob wohl der Minotauros
doch noch sich Opfer schlachtet?
Grässlich ist der Gedanke,
dass er darin noch wütet!

Battos:
Er entging ganz gewiss
Theseus’ magischem Schwert,
und sein Abendgericht
wird Dionysos sein!

Anios:
Lasst es nicht zu, dass er,
unser getreuer Freund,
in die gemeine Hand
solch eines Scheusals kommt!

Ampelos:
Wenn es nur Hände wären,
denen der Menschen gleichend,
aber es wird den Weingott
mit seinen Hufen zerstampfen!

Battos:
Wer zieht mit in den Kampf,
unsern Freund zu befrein,
und wer tötet mit mir
jenes Untier noch heut?

Ampelos:
Gern will ich mit dir gehen
und jenen Stier zerfleischen,
doch es wird bald schon dunkel,
und ich kann kaum noch sehen!

Anios:
Gerne begleit ich dich,
töte das wilde Tier,
aber jetzt wird es heiß:
sieh nur, wie arg ich schwitz!

Silenos:
Dionysos, es will dir keiner hier helfen,
man lässt dich feigerweise in den Tod gehen,
weil diese Satyrn Angst vor einem Stier haben!

Satyrnchor:
Satyrn kennen nicht Angst noch Furcht,
und sie schrecken vor nichts zurück,
doch sie wissen: Dionysos
geschah und geschieht nichts!

Komm schon, Väterchen, trinke mit!
Lass Dionysos seinen Spaß;
sicher hat er das Fass entdeckt,
betrinkt sich und liebt sich.

Seinem Beispiele folget nun -
drückt das Liebchen an eure Brust
und die Krüge an euren Mund:
betrinkt euch und liebt euch!

Nymphenchor:
Fand den Weg er ins Labyrinth,
weiß er sicher den Weg hinaus.
Lasst uns feiern, wie er es tut:
liebet und trinkt, trinket und liebt!

Silenos hat den Rat befolgt und die Amphore angesetzt, die er nun nicht mehr von den Lippen nimmt.
Ein Satyr flötet zum Tanz, Ampelos, Anios und Battos haben inzwischen Ring, Schwert und Schild entdeckt und begutachten sie.

Anios:
Scharf ist dies alte Schwert,
dass man’s nicht glauben mag:
hebe dich in die Luft,
schlachte mir dieses Lamm!

Das Schwert erhebt sich und schlägt dem Lamm den Kopf ab.

Anios:
Welch ein gehorsam Schwert!
Geh nun zum Apfelbaum:
dass er nicht trinkt zu viel,
halte Silenos auf!

Das Schwert bewegt sich auf Silenos zu, der rechtzeitig den Schild ergreifen kann, mit dem er alle Angriffe abwehrt.

Silenos:
Was soll der Unsinn? Wollt ihr mich denn loswerden?
Ich kann doch nicht mein Leben lang mit ihm kämpfen;
nun sag schon deinem Schwert, dass es zurückkehre!

Niemand beachtet Silenos, stattdessen beschäftigt man sich mit dem geschlachteten Lamm.

Ampelos:
Das ist ein feiner Braten,
den du für uns geholt hast,
doch er wird roh nicht schmecken;
wenn wir nur Feuer hätten!

Ein Blitz fährt in ein paar trockene Äste zwischen ihnen und entzündet sie.
Die Satyrn weichen zurück, starren sich fassungslos an und gewinnen nur langsam die Sprache wieder.

Battos (noch mit dem Ring spielend):
Wird hier jedweder Wunsch,
den man äußert, erfüllt,
möchte ich jeden Wein,
alle Frauen der Welt!

Er blickt erwartungsvoll zum Himmel, während Zeus über den dürftigen Flammen erschienen ist.

Zeus:
Wenn dir die Blitze des zornigen Zeus als Erfüllung erscheinen,
dann, lieber Freund, muss es mit deinem Wohle recht sauber bestellt sein!
Ich bin gekommen zu holen, was euch nicht als Spielzeug geeignet
und für die Götter bedeutender ist; drum verlang ich den Ring nun
und auch das Schwert und den Schild Aphrodites dem Gotte zu geben,
der drüber wacht, dass sie nicht in die Hände der Falschen geraten
und dass nicht einer mit ihnen noch weiterhin Schabernack treibe!

Er reißt Battos den Ring aus der Hand und nimmt das Schwert und den Schild, die sich noch immer über Silenos’ Haupt bekämpfen;
dieser lehnt sich erschöpft zurück und setzt erneut die Amphore an.

Zeus:
Ihr habt gefunden, was lange ich suchte, drum will ich gewähren
euch einen Wunsch, so wie ihr es gewünscht habt, als ich euch erschienen!

Silenos (setzt kurz ab):
Dann bring ein Fass des besten Weines uns herbei,
ein Fass, das auch im Kreis der Satyrn nie leer wird,
dass wir auf ewig in dem schönsten Rausch schwelgen!

Satyrnchor:
Welch ein Unsinn ist, was du sprichst!
Du verdirbst uns noch unsern Wunsch;
niemals litten wir Satyrn Durst,
der Wein fließt uns stets hier!

Anios:
Eine Gespielin, Zeus,
wünschen wir uns von dir,
die das Wort Nein nicht kennt
und immer willig ist!

Nymphenchor:
Welch ein Unsinn ist, was du sprichst!
Längst schon habt ihr, was ihr verlangt:
welche Nymphe schloss je den Schoß,
welche von uns sagte je Nein?

Ampelos:
Helena hole aus dem
Tartaros, uns zur Freude,
dass sie als unsre Freundin
sämtlichen Satyrn diene!

Das wird ihr mehr gefallen
als dort in Wehen liegen;
sicher wird ihren Rettern
dankbar sie sich erzeigen!

Satyrnchor:
Ja, die Helena hole uns!
Aus des Tartaros’ dunklem Schlund
sei willkommen im Land der Lust:
betrink dich und lieb uns!

Nymphenchor:
Ja, die Helena hole uns!
Was sie Männern so gern getan,
darf sie hier nun den ganzen Tag:
liebe wie wir, trinke wie wir!



© 6234-6235 RT (1993-1994 CE) by Frank L. Ludwig