Eine Greisin und ein Mädchen
fahren mit der Straßenbahn,
und das Kind schaut aus dem Fenster,
und die Greisin sieht zum Kind.
Und das Mädchen zeigt der Greisin
ihre junge bunte Welt,
und die Greisin, neugeboren
durch die Jugend, tritt hinein.
Aber abgewandt vom Mädchen
tritt das Leid in ihren Blick,
die Erinnrung eines Schmerzes,
den das kleine Kind nicht kennt.
Ach, zu welcher Größe könnten sich erheben
deine Menschen, wunderbarer Schöpfer, wenn du
ihnen nur ein wenig Geist gegeben hättest,
so wie allen andern Kreaturen auch.
Prometheus ist ein kleines Kind,
am Felsen angekettet,
geschwächt durch Hunger, Durst und Wind,
und hofft, dass man ihn rettet.
Er, der den Menschen Feuer gab,
der Menschheit Held und Retter,
büßt seine ewge Strafe ab:
das ist der Zorn der Götter!
Doch niemand kommt und rettet ihn;
verlassen und verbittert
grüßt er den Geier, der erschien,
und den er täglich füttert.
Bald aber wird Prometheus schon
in heilgem Zorn ergrimmen,
die Ketten brechen voller Hohn
und den Olymp erklimmen.
Dort wird er auf entweihtem Grund
den Scheiterhaufen schichten
und durch ein Wort aus seinem Mund
die Götterwelt vernichten.
Lärmend zieht ein Schwarm von wilden
Gänsen fort und sucht sich ein
Heim in wärmeren Gefilden,
doch der Reiher fliegt allein.
Lautlos zieht ein Schwarm von weißen
Schwänen durch die Luft, und kein
Adler wird ihr Band zerreißen,
doch der Reiher fliegt allein.
Gleich und gleich gesellt sich gerne
sagt man, und das mag so sein,
doch nicht jeder Stern braucht Sterne,
und der Reiher fliegt allein.
für KS und PH
Ich halte sie in meinem Arm,
in ihrer Zärtlichkeit geborgen,
die östliche Schönheit, den nordischen Charme
von Kübra und Pia, den Damen von morgen.
Die Augen der einen spiegeln den Himmel
bei Tag, die der andern den Himmel bei Nacht,
und gerne blicke ich auf zum Himmel,
der aus Pias und Kübras Augen lacht.
Der blondgelockte Wirbelwind
reißt die rabenschwarzhaarige Träumerin mit,
bis beide nicht zu bremsen sind:
mit Pia und Kübra hält niemand Schritt.
So sehr die zwei sich unterscheiden,
sie sind sich doch im Grunde gleich,
denn Wildheit und Sanftmut sind stark in beiden,
in Kübra und Pia bei jedem Streich.
Es wallt die Nuba durch den Grapp,
mit Schampendaum bedeckt,
und frappt die Lebetanten ab,
wo sich der Alk versteckt.
Und um den Evegantenbaum
verpost der Garrenlimp
den Sundenbager wie im Traum,
bis ihn erbogt der Imp.
Und wo der Sand wich vom Gedult,
da stigten sie den Laan
und fuhlten mit dem Katapult
des Begerichs den Kahn.
Und heute sipp, und morgen dat:
sie punteten das Wenk
durch Ebegeben, Risch und Watt,
der Böhre eingedenk.
So legerte das Waschenheer
um Grosels Panketal,
den Schassenroger an der Beer
wie anno dazumal.
Es geht auf meinen Wegen
ein Horizont voraus,
bei Sonnenschein und Regen,
bei Wind und Sturmgebraus.
Er scheint zum Greifen nahe
und bleibt mir doch so fern;
was immer ich bejahe
erscheint in seinem Stern.
Mit dreizehn Gallensteinen
und vierzehn schwarzen Schuhn
will ich um Tarzan weinen,
um es ihm gleichzutun.
Ich brauch mich nicht zu schämen,
ich brauch nicht zu verstehn,
denn keiner kann mir nehmen,
was meine Augen sehn.
Ihr, deren Werte ständig sich verschoben,
die willig folgten jedem lauten Mann,
Verantwortung nach unten oder oben
zu delegieren wussten, hört uns an!
Uns, die das Leben und die Freiheit ehren,
wird eure Herde sicher nie verstehn,
doch wir versuchen nicht, euch zu bekehren,
wir fordern euch nur auf: Lasst, lasst uns gehn!
Könnt ihr uns nicht ein kleines Eiland lassen,
befreit aus eurem selbst gestrickten Netz?
Wir würden froh uns an den Händen fassen,
das Leben und die Freiheit als Gesetz!
Doch unser anarchistisches Gewinsel
bleibt ungehört - zum Glück, so scheint es mir,
denn herzlich einsam wäre eine Insel,
auf der drei Menschen leben oder vier.
Es setzt sich in Bewegung
der Zug vom Bahnsteig zwei
und fliegt schon wenig später
am Weizenfeld vorbei.
Die Blumen auf dem Wege,
die Vögel auf dem Baum
rasen so schnell durchs Fenster,
dass ich sie wahrnehm kaum.
Ein Mädchen an der Schranke
lächelt mir ins Gesicht,
jedoch der Zug fährt weiter:
sie sieht die Antwort nicht.
So ist es mit der Schönheit
an jedem andern Ort:
bevor ich sie genieße,
ist sie schon wieder fort.
Erst auf dem nächsten Bahnhof
kommt dann der Zug zum Stehn:
dort kann man graue Steine
und graue Menschen sehn.
Die Tauben auf dem Bahnsteig
markiern ihn früh und spät;
so sitzt man da und wartet,
dass es bald weitergeht.
Die Freuden ziehn vorüber,
doch Stillstand gibt’s genug:
so ist mein ganzes Leben
wie eine Fahrt im Zug.
Im Leben, Traum, in jedem Buch:
der schwarze Nebel zieht
wie ein verfrühtes Leichentuch
mir immer durchs Gemüt.
Wie herrlich sind zur Morgenstund
die Klippen dieser Welt,
wo sich das Wasser sammelt und
mit Macht zu Tale fällt.
Abends durch meine Linde weht's,
da hab ich mir gedacht:
Du hingst doch an der Linde stets -
warum nicht heute Nacht?
Wie lieblich wär ein Schlummertrunk
gleich vor dem Schlafengehn,
dann schwelgen in Erinnerung,
um nie mehr aufzustehn.
Ja, der Gedanke kommt zu mir
und tröstet und verspricht;
er steht zwar immer vor der Tür,
ich aber öffne nicht.
Gleich wie geschickt er um mich schleicht,
es bleibt bei meinem Nein,
denn eines Tages kommt vielleicht
das Wonnebringelein.
Womöglich schlaf heut Nacht ich ein,
und wenn der Tag erwacht
sitzt schon das Wonnebringelein
an meinem Bett und lacht.
Ich weiß, es ist ein eitler Traum,
dem Elend zu entfliehn,
doch gibt man nicht der Hoffnung Raum,
raubt die Verzweiflung ihn.
Das Wonnebringelein ist schlicht,
kennt weder Freund noch Feind,
es zählt vergangne Freuden nicht
noch Tränen, die geweint.
Von allen - wie ich jetzt erfuhr -
den Menschen groß und klein
erscheint es einem täglich nur;
wie könnte ich das sein?
Und doch, ich könnt es sein! Den Mut
verlier ich nicht, mein Kind,
denn meine Chancen stehn so gut
wie dessen, der gewinnt!
Milliarden halten ihre Wacht
und werden grau und alt,
doch einem dient es heute Nacht
und anderen schon bald.
Ich harre dieses Augenblicks
wie Klee des Morgentaus,
denn ein Moment des höchsten Glücks
löscht Tränenjahre aus!
Ist nicht jegliche Schönheit vergebens,
die den Priestern der Weisheit gefällt?
Ist die Welt nicht das Ende des Lebens
und das Leben das Ende der Welt?
Heute bringt uns die Zeit ihre Früchte
in den Körben aus brüchigem Bast,
und die Linde beschattet Gerüchte,
und die Morgenröte verblasst.
An den Flussufern, Seen und Küsten
schöpfen Mädchen im Wasser nach Land,
tief gebeugt mit den fröhlichen Brüsten
und der Feder des Grals in der Hand.
Und ich stehe als Wärter daneben
und hab doch keine Dienste zu tun,
und ich wollte, ich könnte vom Leben
auf Erden für lange Zeit ruhn.
Schnell, nur schnell! Hinab die Stufen
des Kontors zum Auto hin,
ein paar Kunden angerufen,
überschlagen den Gewinn!
Um ein wenig Zeit zu sparen
durch das Wohngebiet gerast,
ein paar Kinder angefahren -
ja, mit mir wird nicht gespaßt!
Fahr ich etwas radikaler,
hör ich Radio zumeist
(sieben auf der Richterskala),
zu betäuben meinen Geist!
Auf dem Gehweg aus Gepflogen-
heit geparkt, ein Stündchen bloß,
schnell geduscht und angezogen,
und schon geht es wieder los!
Nur noch nachgesehen, wessen
Kurse heut am besten stehn,
und danach zum Abendessen
mit den Firmenpartnern gehn!
War der Tag auch sehr beschwerlich,
fahr ich doch zum Treffen hin,
weil ich schließlich unentbehrlich
für das Los der Wirtschaft bin!
Hinterher sitz ich am Steuer,
und ich fühl mich gut und frisch
nach zehn Biern, liegt doch ein neuer
Kaufvertrag auf meinem Tisch!
Rasch noch eine Schlaftablette,
aufgelöst in einem Schuss
Cognac, dass ich nicht im Bette
grüble wenn ich schlafen muss!
Nur das Wochenend, das viele
lieben, scheint mir öd und grau,
doch es gibt Computerspiele,
Actionfilme und TV!
Lasst sie ruhen, die nicht länger
als acht Stunden mühen sich:
Muße ist für Müßiggänger,
nicht für einen Mann wie mich!
Füllen muss ich meine Tage
und mir setzen manche Frist,
dass mir mein Verstand nicht sage,
wie egal mein Leben ist!
Wir gehen in die Grüfte,
die wir von Ferne sehn,
und steigen in die Lüfte,
wo wilde Sterne wehn.
Das Grab, es ist so dunkel,
die Nacht, sie ist so hell:
das Abendsterngefunkel
ist Wandernden zu grell.
Wenn ich die andern riefe,
sie brächen meinen Stab;
still ist es in der Tiefe,
und friedlich ist das Grab.
So muss ich weiter wandern,
ging ich auch schon zu viel:
ich gehe mit den andern
und folge ihrem Ziel.
Dort will ich mich verneigen,
wo Götter gerne gehn,
und wo die Birken schweigen
und wilde Sterne wehn.
Wenn Swedenborg recht hat, Meister Heinrich,
so könnte er dich schildern:
du schreibst dort oben auf einer Wolke
an Himmlischen Reisebildern.
Zur Paradiesbar geht es abends:
des fröhlichen Gedrängels
ein wenig müde, drängst du dich
zum Stammtisch deines Engels,
Gibst ihm Gedichte für den ‘Aufwärts’
und diskutierst; nur Karl
kommt später, denn er ist beschäftigt
mit göttlichem Kapital.
Wenn Swedenborg recht hat, lieber Heinrich,
wirst du dort weiter dichten;
der Herrgott wird dann höchstpersönlich
des Himmels Zensur verrichten.
Wenn Swedenborg recht hat, Bruder Heinrich,
verstummen dort die Harfen,
die Wiegenlieder allesamt,
und keiner wird mehr schlafen.
Dann ist es aus mit Kirchenhymnen
und langsamer Mensur:
wir singen dem Herrn ein neues Lied
nach Richards Partitur!
Es liebten mich die Berge,
es liebten mich die Seen,
es liebten mich die Zwerge,
es liebten mich die Feen.
Es küssten mich die Götter,
es küsste mich der Wein,
es küssten mich die Spötter,
es küsste mich das Sein.
Nun liegen mir zu Füßen
die Rose und der Stier:
die mir den Tod versüßen,
sie blicken auf zu mir.
Die Erde war ein Paradies
bevor sie sich den Menschen hat erschaffen,
wo man auf keine Grenzen stieß
und Freude trank aus funkelnden Karaffen.
Der dieses Paradies zerstört
hat und die kargen Reste noch vernichtet,
der hofft, dass ihn ein Gott erhört
und ihm ein zweites Paradies errichtet.
Gäb's ihn und jenes Paradies,
in das er ihn nach seinem Tod soll führen,
es wär nicht mehr das Paradies,
sobald des Menschen Füße es berühren.
Wo je des Menschen Fuß auch stand,
verödete die schönste Blumenwiese
und wurde dürres Wüstenland:
wo Menschen sind, sind keine Paradiese!
Warum hab ich Mühe, vorwärtszukommen
wo Alte und Gebrechliche gehn?
Warum verließ ich, was man mir genommen,
und fall im Stehn?
Wer das, was ich vergaß, vergisst,
der scheidet stumm und ohne Gruß -
wo doch die Wunde im Herzen ist,
was strauchelt mein Fuß?
Langsam steigt der graue Nebel,
der die Sinne infiltriert,
und man macht die Schritte kleiner,
dass man nicht den Halt verliert.
Wenn im winterlichen Nebel
man die Welt umher vergisst,
sieht man nur, was äußerst finster
oder dicht vor Augen ist.
Pass op, dat Water kummt! Keen Minsch will rut
hüüt nacht; de blanke Hans geiht nu tokehr,
un elkeen Rott vun Strand un Diek treckt ut
wiel Delen vun de Waterkant warrn Meer.
In Hamborg lett dat weniger dramaatsch,
man slütt de Finsters, un man geiht na Bett
un gifft sik suutje, still un hanseaatsch;
de Floot mit’n beten Wind is mol ganz nett.
Aver de Dieken brööken, un de Floot
kummt över Hamborg gliek na Middernacht;
de mehrsten Minschen slapen dör de Noot,
un kuum een Hamborger is op de Wacht.
Dat Water kummt! De Straten warrn nu Strööm,
de Floot löppt gau dör Finster un dör Döörn,
un mannigeen wakt op vun seute Drööm
un flücht up’t Dack. Sirenen kann man höörn,
Dwarsmöhlen bringen Deken, Eten, Melk
un Water, Bööd redden Lüüd vun Huus un Goorn;
dör Twieten drieven Köh und Minschen welk
in’t Water sünd verdrunken or verfrorn.
Nu geiht dat Water trügg vun Stad un Masch
un lett över dreehunnert Minschen doot,
man as de Phönix opstaht ut de Asch
warrt Hamborg wedder opduken ut de Floot.
Als du einst am Tag der Gründung
Hamburgs bist dem Strom entstiegen,
als du an der Elbe Mündung
deinen ersten Schritt getan,
erfanden große Geister erst das Fliegen
und kleinere erst der Nationen Wahn.
Himmelblaue Augen blickten
voller Sehnsucht in die Ferne,
höhere Gedanken schickten
ihren Gruß voraus zum Meer,
dein blondes Haar, umstrahlt vom Licht der Sterne,
erhellte alle Dinge um dich her.
Hohe marmorbleiche Dame,
Freiheit steht auf deinem Banner,
für die Eintracht steht dein Name,
und für Göttlichkeit stehst du;
der volle Mond erblasste, dann begann er
dich zu lobpreisen, so wie ich es tu.
Hehre Göttin, du alleine
weißt zu tragen solche Brüste,
deine säulengleichen Beine
ahnte die Antike nur,
manch alter Dichter schwelgte, wenn er wüsste
um deine hanseatische Statur.
Deinen herben schönen Zügen
würde man ein Denkmal setzen,
Edelmännern zum Vergnügen
schlüge man dein Bild in Stein,
Könige rissen ihr Gewand in Fetzen,
um einmal nur ganz nah bei dir zu sein.
Stolzes starkes Frauenzimmer,
manche Göttin wünscht sich innig
so wie du zu sein, doch nimmer
ward ein Gott so reich beschenkt,
so stattlich, hochgewachsen und so sinnig,
von Menschen und von Göttern unbedrängt.
Doch wenn andre Götter grollen
hüllst du dich in seidne Tücher,
und wenn sie Lawinen rollen
schlürfst du einen Schlummertrank;
der Götter Taten füllen ganze Bücher -
von dir erzählt man sich nicht einen Schwank.
Andre Götter intrigieren,
schleudern Blitze, lohnen, strafen,
werden auch zu Schwänen, Stieren
und verführen junges Blut,
jedoch in deiner Stadt lässt sich gut schlafen,
und wachen kann, wer Geld hat, gleichfalls gut.
Krämern, Fischern, Sekretären,
Prokuristen und Matrosen
gibst du Arbeit, und da wären
noch die Mädchen für die Nacht,
die Priester für den Tag, die skrupellosen
Zinswucherer, der Hanse dunkle Macht.
Freie Meinung, freier Handel
wird in Hamburg groß geschrieben,
auch der freie Glaubenswandel
und das freie Sklaventum;
die Stände zwar, die Stände sind geblieben,
doch sind die Grenzen fließend, dir zum Ruhm.
Was die Kolonien tragen
wird vom Kaufmann fortgenommen
und in Hamburg umgeschlagen,
wo die ganze Welt verkehrt,
und nur die Reichen können jetzt bekommen,
wovon sich einst ein ganzes Volk ernährt.
An der Börse, wo bis heute
Kurse steigen oder fallen,
bläst den Odem du der Weite,
dass der Geist der Freiheit weh
zwischen Kontoren, Banken, Lagerhallen
und weißen Villen an der Elbchaussee.
Große Werke sind entstanden
durch den Genius deiner Söhne,
wenn sie einen Sponsor fanden
oder Arbeit nebenbei:
die Hanseaten lieben alles Schöne,
wenn es nur künstlich ist und kostenfrei.
Ew'ger Meister Höhenflüge,
Denker, Maler, Novellisten
sah die Weltstadt zur Genüge,
ohne dass ihr Dank dich ziert:
du warst die Muse keines Komponisten,
keinen Poeten hast du inspiriert.
An der ganzen Welt Geschichte
haben Götter teilgenommen,
hielten blutige Gerichte,
unterstützten ihren Clan;
sie sind vom Himmel gar herab gekommen
und wiesen Menschen auf die rechte Bahn.
Aber du hast nie gewettert,
hast kein Opferlamm gesegnet,
keinen Feind hast du zerschmettert,
keinen jungen Mann verführt;
nur einem Dichter bist du einst begegnet,
ansonsten hast du dich noch nie gerührt.
Bist du wirklich von den Göttern,
tatenlose Schutzpatronin,
zeige dich den eitlen Spöttern,
greife ins Geschehen ein;
spiel länger nicht die mürrische Baronin,
die sich verschanzt im Turm aus Elfenbein.
Als Häretiker verschwanden,
wilde Krankheiten grassierten,
importiert aus fernen Landen,
sahst du allem stoisch zu,
und selbst als die Franzosen einmarschierten
kam Russlands Heer zu Hilfe und nicht du.
Wo warst du als Feuerzungen
deine schöne Stadt verzehrten,
als die Alten und die Jungen
einfach brannten lichterloh,
als viele Helfer nicht mehr wiederkehrten,
und die sie retten wollten ebenso?
Wo warst du als Wassermassen
Hamburg unter sich ersäuften,
als in Booten und Barkassen
man verstaute Hab und Gut,
im wilden Strome sich die Opfer häuften,
elbabwärts treibend in der Sturmesflut?
Und wo warst du als ein Drittel
an der Cholera verreckte,
als die Wissenschaft kein Mittel
wusste noch die Bürgerschaft,
ein Berg von Toten deine Stadt bedeckte,
von unsichtbarer Hand dahingerafft?
Nein, für deiner Bürger Sorgen
warst du niemals die Adresse,
und sogar am braunen Morgen
hast du kein Gebet erhört:
eines Tyrannen willige Mätresse
ward letztlich fast die ganze Stadt zerstört.
Doch, ich weiß, du hast getrauert
als man tilgte deine Spuren,
hast, im Turme eingemauert,
überblickend dein Gebiet,
dich abgewandt von deinen Kreaturen,
dass niemand deine stillen Tränen sieht.
Freiheitsgöttin, deinen Kindern
stehst du nah zu allen Zeiten,
doch ihr Werk kannst du nicht hindern:
wie sich, gegen ihren Drang,
die Freiheit selbst verbietet einzuschreiten,
so lässt auch du den Dingen ihren Gang.