oder
Das trinkende Auge
Due cose belle ha il mondo:
amore e morte.
- GIACOMO LEOPARDI
Von all den bösen Feen und Hexen,
den Frauen schlimmster Sorte,
von den Sirenen und den Nixen
ist keine wie Amorte.
Dir schlägt mein Herz zu jeder Zeit,
nur dir an jedem Orte,
du bist mein Schicksal und mein Glück:
ich liebe dich, Amorte.
Doch wem du die Erfüllung bringst,
geht durch des Todes Pforte,
und niemand kann dir widerstehn:
ich sterb für dich, Amorte.
Und setzt ihr mir ein Grabmal einst,
so schreibt darauf die Worte:
Sie ist die Liebe, sie ist der Tod
in Ewigkeit: Amorte.
Der warme Westwind weht und wiegt
im Wasser der Ägäis sich,
und vor der Marmortreppe liegt
mein Schiff und wartet nur auf dich.
Nun komm! die Segel sind gesetzt,
der Wächter schläft im Sonnenschein:
verlass dein Rosenlager jetzt,
geliebte Frau, steig ein! steig ein!
Sie kommt nicht mit, ich weiß es gut,
so gut wie ihr es alle wisst;
was schert sie meine Liebesglut,
die schön und doch so grausam ist?
Die Liebe ist der Frauen Spiel:
was geht der Männer Schmerz sie an?
Ich liebte viel und viel zu viel,
wie nur ein Mann so lieben kann.
Herr Kapitän, sagt mir genau,
ob dort ihr goldnes Haar nicht glänzt!
Es ist wohl nur der Morgentau,
der liebevoll die Lilien kränzt.
Mein edler Freund, ich seh genug:
ist dies nicht ihre bleiche Hand?
Es ist wohl nur die Gischt vorm Bug,
es ist wohl nur der Wüstensand.
Oh nein! Es ist kein Morgentau,
es ist kein silberfahler Sand:
dies ist sie, die geliebte Frau,
mit goldnem Haar und bleicher Hand!
Nach Troja, Kapitän! Es gibt,
mein edler Freund, das Glück zu zweit:
der Schönheit Göttin, heißgeliebt,
steht schon an Hellas´ Strand bereit!
Die Sonne sucht sich ihr Versteck,
der Tag erhofft noch Strahlen dort;
an Deck! ihr Männer all, an Deck!
Geliebte Frau, hinfort! hinfort!
Nach Troja, Kapitän! Es gibt,
mein edler Freund, das Glück zu zweit;
geliebt wie nur ein Mann so liebt,
geliebt in alle Ewigkeit!
(Übersetzung von Oscar Wildes Serenade for Music)
Komm in meinen Garten,
komm ins Labyrinth:
ich will dich erwarten,
wo die Rosen sind.
Falls du auf die Dauer
nicht mehr wiederkehrst,
fand mein Minotaur
leider dich zuerst.
Am ersten Tag schuf Gott das Licht
und trennte Tag und Nacht,
und meinte dann (so der Bericht):
das hab ich gut gemacht!
Den Himmel formte er am zweiten,
am dritten alles Grüne,
am vierten Sterne und Gezeiten
auf einer großen Bühne,
am fünften Vögel und auch Fische,
am sechsten ohne Ruh
die andern Tiere (möglichst frische)
und Menschen noch dazu.
Am siebten wollte er nichts tun,
und so beschloss er heiter:
ich werde heute einmal ruhn -
ab morgen geht es weiter.
Und dann, am Tage Nummer acht,
ich weiß es ganz genau,
ist er verschlafen aufgewacht
und machte eine Frau.
Wir ziehen die Moral daraus:
üb Fleiß dein ganzes Leben,
denn setzt du auch nur einmal aus,
geht, was du tust, daneben.
Wohl dem, den beim Wandern kein Frauenherz findet
zum Zweck ihres Zeitvertreibes -
oft fesselt den Weisen, was Toren nicht bindet:
der reizende Körper des Weibes.
Und mag sich ein Mädchen in dich heut vergaffen,
so wird es bis morgen nicht bleiben:
die weiblichen Herzen, sie werden erschaffen
auf fliegenden Töpferscheiben!
Den Tag lobe erst, ist die Sonne gesunken,
das Schwert, wenn vom Blute es rot ist,
das Bier, ist der letzte Becher getrunken,
die Frau lobe erst, wenn sie tot ist.
(nach dem „Hávamál" der Älteren Edda, Strophen 93, 84 und 81)
Ein guter Gott wird dich sofort erhören -
Erlösung gibt es niemals zeitversetzt,
und jeder Gott, der einmal dich versetzt,
der wird dich auch in Zukunft nicht erhören.
Ein gutes Weib wird dich sofort erhören -
Erfüllung gibt es niemals zeitversetzt,
und jede Frau, die einmal dich versetzt,
die wird dich auch in Zukunft nicht erhören.
So wimmelt es auf dieser trägen Welt
von Unerfüllten und von Unerlösten:
all denen, denen sich der Blick verstellt,
die auf ihr Heil zu warten sich entblößten.
Und doch: kein Mann, der etwas auf sich hält,
lässt sich von Göttern oder Fraun vertrösten.
Die Wahrheit in der Liebe? Nein!
Du musst dir eins erwähln:
wer liebt, der wird so roh nicht sein,
die Wahrheit zu erzähln.
„Ich habe viel zu viel Gewicht,
sieht man mir das nicht an?" -
Sag ihr die Wahrheit ins Gesicht:
du bist ein toter Mann!
Wie oft sich auch die Frau beklagt,
sie wirke blass und krank:
ein Tier, wer ihr die Wahrheit sagt,
und Tollwut ist sein Dank!
„Bin ich so schön wie früher noch,
schmeckt noch wie einst mein Kuss?" -
Die Wahrheit ist ein schweres Joch,
das sie nicht tragen muss.
„Ist meine Jugend schon versiegt?" -
Wer hier nicht lügen kann,
dass sich ein jeder Balken biegt,
der ist kein echter Mann.
„Und bist du mir auch immer treu
und siehst nach andern nicht?" -
Die Liebe spricht: Ich bin dir treu!,
gleich was die Wahrheit spricht.
Einst kam aufs Land ein junger Mann aus Polen,
der blieb auf einem Hofe über Nacht
und hat sich an die Magd herangemacht:
schlich in die Küche sich auf leisen Sohlen,
hat einen Schinken und ihr Herz gestohlen
und sie um den Verstand und mehr gebracht;
der Jüngling, der an Hochzeit schon gedacht,
versprach, im nächsten Jahre sie zu holen.
Am Morgen ging er und sie blieb allein,
er küsste sie und schwor, ihr treu zu sein;
wie treu sind doch die Männer, wenn sie küssen!
Weil seither auf dem Hof kein Mann mehr war,
hielt sie die Treue ihm ein ganzes Jahr;
wie treu sind doch die Frauen, wenn sie müssen!
Wo die großen Eichen waren,
wo der kleine Wildbach rauscht,
habe ich vor vielen Jahren
deinem Liebesschwur gelauscht.
Und du küsstest mich so heftig,
und du sagtest mir am Hain,
wie die Eiche, groß und kräftig,
würde unsre Liebe sein.
Ja, du hattest recht vor allen:
sie war wie die Eiche stark,
denn die Eiche ist gefallen;
heut steht hier ein Freizeitpark.
Kinder treiben ihre Scherzchen,
und sie machen viel Rabatz,
und nun ist dein treulos Herzchen
auch ein solcher Rummelplatz.
Gewitterwolken sind die Fraun: sie brechen
in unser Leben ein mit ihren Schwüren,
sie lassen ihre zarte Haut uns spüren
und streicheln unsrer Hände Innenflächen.
Sie sind charmant und kennen unsre Schwächen:
es funkt und knistert, wenn sie uns berühren,
wir zittern, wenn sie unsre Hände führen,
die Lippen flüstern, seufzen und versprechen.
Entlädt sich, was an Energie sich staute,
dass es voll Leidenschaft sich selbst verzehre,
mit grollend schrecklichschönem Donnerlaute
dann im Gewitter, das sich überm Meere
mit ungestümem Drang zusammenbraute -
dann sind sie weg, dann trifft der Blitz ins Leere.
Die Frauen sind aus sprödem Holze,
und niemand weiß, wonach sie schrein;
ihr Lieben kann kein Grund zum Stolze,
ihr Hass kein Grund zum Zweifel sein.
Für andre wird sie dich verlassen,
die sich in Treue hat geübt;
nur die dich liebte wird dich hassen,
nur die dich hasst hat auch geliebt.
Versuche nicht, den Grund zu schauen
des Wandels, des sie sich erkühnt:
die Liebe und der Hass der Frauen
sind gleichermaßen unverdient.
Liebe Frauen, wir verneigen
dankbar uns vor euren Reizen:
ihr mögt nicht mit ihnen geizen,
wollt uns eure Schönheit zeigen.
Müsst ihr auch im Winter frieren;
eure Liebe zu beteuern,
werdet ihr uns trotzdem euern
tiefen Ausschnitt präsentieren,
Werdet Wind und Frost nicht scheuen
und mit Höschen (oder keinen),
kurzen Röcken, langen Beinen
unser Herz und mehr erfreuen,
Werdet gern und klaglos leiden
unter Grippe und Bronchitis,
Husten, Schnupfen und Arthritis,
dass wir unsre Augen weiden!
Welche Wohltat bringt ihr Damen:
nichts kann in den harten Wintern
wie ein runder Frauenhintern
durch den Anblick uns erwarmen.
Glaubt den Männern nicht - sie lügen! -,
welche sich bei euch beklagen
über Anstand und Betragen,
denn auch ihnen bringt's Vergnügen,
Nackte Beine anzuschauen
oder auch bestrapste Schenkel
von den Bäckchen bis zum Senkel;
Dank sei euch, ihr wackren Frauen!
Der Mond kam auf die Erde
und fragte mit Bedacht
Ranunkel und Gänseblümchen:
was blüht ihr in der Nacht?
Der Mond kam auf die Erde
und tanzte auf der Well',
er sprach zur Bucht von Galway:
was glänzt du heut so hell?
Der Mond kam auf die Erde,
er ist vor Neid erbleicht
und sprach zum Dichterherzen:
was bist du heut so leicht?
Wie viel Schönheit hat die Welt zu bieten? -
Morgenröte in der weiten Steppe,
Mittagssonnenschein im Hochgebirge,
Sonnenuntergänge in den Wäldern,
Mondnacht auf des wilden Meeres Brandung;
und ich soll nur eine sehen?
Wie viel Gärten lässt die Welt gedeihen? -
Ungezählte stolze Rosenbüsche
blühn, soweit das Auge reicht, und Veilchen
stehn und Gänseblümchen auf der Wiese,
Mohn und Lilie wiegen sich im Winde;
und ich soll nur eine pflücken?
Wie viel Früchte lässt die Welt uns wachsen? -
Rote Kirschen, zarte Aprikosen,
feste frische Äpfel, junge Birnen,
runde Mandarinen und Orangen,
Trauben und Melonen, prall und saftig;
und ich soll nur eine schmecken?
Wie viel Tore hat die Welt errichtet? -
Marmorsäulen strahlen in der Sonne,
Bögen stehn aus warmem Ebenholze:
jedes ist ein Kunstwerk ohnegleichen
und empfängt den Wandrer und entlässt ihn;
und ich soll nur eins durchschreiten?
Das nächste Mädchen, das ich liebe,
bespringe ich mit Überschall:
da wird sie wie ein Herbststurm heulen
und leuchten wie ein Feuerball!
Das nächste Mädchen, das ich liebe,
wird, gerade wie es ihr gefällt,
den Himmel und die Hölle sehen,
doch niemals wieder diese Welt!
Das nächste Mädchen, das ich liebe,
erhebe ich empor zum Licht:
wir werden sterben, und wir sehen
im Tode Gottes Angesicht!
Und man hört den andern lachen,
und man gleitet auf das Bett,
und man sagt sich hübsche Sachen,
und man ist zum andern nett.
Und man spielt mit seinen Zungen,
und man küsst sich zart und sacht,
und man liebt sich eng umschlungen,
und man sagt sich Gute Nacht.
Ach, dass doch der Gletscher weiche
und mir ein Vulkan erschien:
könnt ich nur dem Elfenreiche
und dem trauten Glück entfliehn!
Einmal will ich alles geben,
einmal alles nehmen mir:
einen Kampf auf Tod und Leben
und auf Liebe wünsch ich mir!
Glühen will ich, flammen, toben,
des Erwachens nicht gedacht,
ewgen Feuersturm geloben,
sei es nur für eine Nacht!
Brennen will ich und verbrennen,
herrschen und beherrschet sein,
nach den Blackboys mich benennen,
die im Feuer erst gedeihn,
Kämpfen mit den schwersten Waffen,
und vom Todeswunsch gemahnt
schaffend leiden, Leiden schaffen,
die kein Mensch zuvor erahnt!
In den Untergang getrieben
will ich meinen Aufgang sehn:
im Vergehen will ich lieben,
in der Liebe ich vergehn!
Verliebt! Wie kann ein Mensch sich nur verlieben,
der doch so ungern nur sein Herz verliert;
so lange bin ich frei davon geblieben,
doch scheint das Leiden lange nicht kuriert.
Verliebt! Du weißt: verliebt, das heißt verloren!
Verliebt! Und noch dazu in eine Frau!
Verliebt! Ich wünscht, ich wäre nie geboren;
ihr stirbt mein Herz, ich fühle es genau!
Verliebt! Verliebt! Du wirst dafür bezahlen,
tönt der Sirenen mitleidloser Chor,
und dieser Erde fürchterlichste Qualen
stehn einmal wieder dem, der liebt, bevor.
Dem Weltall sei mein Leid geklagt
von Galaxienchören:
mein Ohr sagt, du hast Nein gesagt,
mein Herz will es nicht hören.
Doch willst du mich durchaus nicht lieben
und willst nicht glücklich machen dich,
das eine ist mir doch geblieben:
ich liebe, also lebe ich!
Ich liebte dich, und du warst da!
Vollkommen schienst du mir zu sein,
du glatte Frau, du Herz aus Stein,
der Himmel schien mir nie so nah!
Ich sah dich, aber nicht hinein
in jenen Hohlraum hinterm Tor;
ich betete und kniete vor
der Oberfläche hellem Schein.
Und jene Göttin, die ich sah,
die meine Sehnsucht hat gestillt,
war meiner Liebe Spiegelbild;
ich liebte dich, und du warst da.
Vom ersten Sonnenstrahl geweckt
erblühte einst das Rosenbeet,
da hast du mir den Kopf verdreht
und Rosen an mein Hemd gesteckt.
Vertrocknet ist das bunte Feld,
auf dem einst sprossen erste Triebe;
verwelkt ist längst schon meine Liebe
und du und alle Welt.
Nun, wo statt der kalten Winde
zarte Frühlingslüfte wehen,
seh ich, wie in mancher Linde
schon die ersten Namen stehen,
Wie die Spatzen streitend scherzen,
wie die Sträucher Knospen treiben,
und allein in meinem Herzen
wird es ewig Winter bleiben.
Soll ich lachen oder weinen?
Könnte man, wo Menschen sind,
in Gefühlen sich vereinen!
Soll ich lachen oder weinen?
Zwischen lebenden Gebeinen
herzlich sein so wie ein Kind
soll ich? Lachen oder weinen
könnte man, wo Menschen sind.
Das unerfüllte Sehnen nach dem unerfüllten Sehnen
wird immer meine Trauer, immer meine Freude sein:
so bitter ist mein Lächeln und so süß sind meine Tränen,
die sich am Unrecht laben und die Wohltat nicht verzeihn.
Wie könnten ohne Hässliches die Schönheit wir verehren,
wie hätten ohne Winterfrost den Sommer wir vermisst?
Wie könnten wir das Glück empfinden und des Leids entbehren,
wie ahnten ohne Zwang und Ketten wir, was Freiheit ist?
Wer achtete schon auf des klugen Wortes große Stärke,
wo kein Barbar mit stumpfer Keule ihn bedroht?
Wie sähe ohne Niedrigkeit der Mensch die großen Werke,
wie fürchtete der Mensch das Leben, wäre nicht der Tod?
Die Sonne brennt ihr rotes Siegel
behutsam, liebevoll und schwer
auf ein erwartungsstilles Meer.
Schon glänzt sein klarer blauer Spiegel
im letzten Abendsonnenschein;
ach lass mich, lass mich traurig sein.
Die Flöten und Gitarren klingen
am Lagerfeuer, und den Strand
umfängt des Mondes Silberband.
Die Mädchen lachen, tanzen, singen,
aus vollen Krügen fließt der Wein;
ach lass mich, lass mich traurig sein.
Dass ich den Tag versöhnt beschließe,
legst zärtlich du auf meinem Schoß
mir deine edlen Reize bloß.
Und wenn ich deine Lust genieße,
bin ich mit meiner Lust allein;
ach lass mich, lass mich traurig sein.
Du gibst die höchsten Sakramente:
das Feuer, das in meins sich gießt,
den Körper, der um meinen fließt!
Nun ist uns alles, was uns trennte,
für eine kurze Zeit gemein;
ach lass mich, lass mich traurig sein.
Wer kann die Schönheit so wie du erfassen
und wer den Schmerz, nicht eins zu sein mit ihr?
Wie schnell wird solcher Schmerz zur blinden Gier
der Wesen, die sich nicht bezaubern lassen.
Wer kann wie du vor Gräueln je erblassen
und dem Bewusstsein: sie sind eins mit mir!
Vergebens jede Tat von mir und dir
und sinnlos alles Lieben, alles Hassen.
Nur deine Augen hebst du auf zum Streite,
zu dulden nichts, zu ändern nichts bestrebt.
Voll Gleichmut fragst du, ob ich dich begleite,
hast Trübsinn mir in Geist und Herz gewebt;
doch sitzt du sinnend nur an meiner Seite,
weiß ich, dass doch noch etwas in mir lebt.
Einst im Rot der Abendsonne
spielten Kinder in den Gärten,
und auf einer Regentonne
hockten die Lokalgelehrten.
Und man saß mit seiner Flamme
ganz verträumt im Kerzenschein,
und man hatte Fleisch vom Lamme,
und man hatte guten Wein.
Und der Wind pfiff durch die Läden
manches zarte Liebeslied,
und der Mond spann seine Fäden
manchem liebenden Gemüt.
Und der Flüsterton der Bäume
wiegte in den Schlaf ganz sacht,
und man hatte süße Träume
dort im Zauberschoß der Nacht.
Heute wagt man nicht zu reden
und verriegelt früh das Haus,
und man schließt die Fensterläden,
und die Kerzen gehen aus.
Wie schön du bist, du großes Sommermädchen,
wie edel und wie klug und hochgewachsen;
ach, dass die zarte Blüte nun vergehn muss,
die lächelnd sich im Teiche widerspiegelt!
Dass nun die stolze Anmut muss entschweben,
die sanfte Wildheit aus dem Dasein tanzt,
um mir, dem trüben Herbste, Platz zu machen!
Du willst noch nicht? Es soll an mir nicht liegen:
mach du dich länger noch, geliebte Göttin,
so will ich gerne etwas kürzertreten.
Nur einmal lass mich zärtlich dich berühren,
nur einmal dich in meinen Armen halten!
Sodann verschmelzen unsre dürren Leiber
für einen Augenblick des tiefsten Glücks,
und auf dem trocknen Wege, der die Jugend
hinein ins beste Mannesalter leitet,
erwärmen deine gelben Feuerflammen
die kalte schwarze Erde unter mir.
Nur dieses eine Mal; wir müssen scheiden,
erst voneinander, schließlich von der Welt.
Nicht ich, nicht du, kein Mensch wird sich erinnern,
und nichts vom Glück und nichts vom Schmerz wird bleiben -
warum nur fühl ich Freude nun und Trauer,
warum ist mir nicht heut schon alles gleich?
Nun brich hervor in Windeseile
und schütte aus des Himmels Horn:
nun schleuder, Zeus, die heilgen Pfeile
hinab, hinab in deinem Zorn!
Dein mächtigsattes Göttergrollen
erschrecke Mann und Weib und Kind:
lass Felsen und Lawinen rollen,
wo Städte und wo Dörfer sind!
Wie du in hellem Blitzesgrimme
des Menschleins fahles Licht verhöhnst!
Wie du mit hasserfüllter Stimme
sein heisres Bellen übertönst!
Wie deine Majestät gewaltig
sich bebend uns herniederneigt!
Wie deine Wut sich mannigfaltig
im Toben allem Leben zeigt!
Die Wolken hängen vollgesogen
an einer Stelle, schwarz und prall:
die leise einst vorüberzogen,
entladen ihren Wasserschwall!
Nun mag die Erde besser, neuer
in deinem Sturmgebraus entstehn,
nun lass in deinem Trommelfeuer
des Herzens Donner untergehn!
Göttlicher Schmerz! Sich vor brennender Sehnsucht nach jenem verzehrend,
das sich vor Augen und Händen erhoben hat, uns zu erheben,
und doch in weitester Ferne, weil unsere Sinne nicht fassen,
welch eine flammende Schönheit dem dürstenden Menschen beschert ist.
Still und bewegungslos steht an dem himmellosesten Himmel
rötliche Luft, den ermüdenden Duft eines unsichtbaren
Sonnenunterganges verströmend, unwirklich und fremd.
Flimmernde Abendglut, auf den Wassern des blauen Kanales
unbeweglich verharrend! Flackernde Scheidewelle,
niemals den Wanderer aus deinem schimmernden Zauber entlassend!
Abschied! so denkt der Betrachter, hat jemals dies Bild er getrunken,
Abschied! so denkt er ergriffen und wird noch in Ewigkeit stehen.
Erfüllt entsprang mir aus dem Land der Schatten
der Liebsten Bild, dem schönsten Traume gleich,
und wo man ankommt nach dem letzten Streich,
dort wartet sie auf immergrünen Matten.
Noch treibe friedlos ich auf stillen glatten
Wassern solang ich durch dies Leben schleich;
setzt mich der Fährmann über jenen Teich,
so wird sie mein und ich zu ihrem Gatten.
Nicht lange mehr, so werde ich erbleichen
vor jener Frau, die meine Sinne hat,
und werde ihr das kalte Herz erweichen.
Dann wird mein Herz nach langem Hunger satt:
bald wird sie mir die schlanken Hände reichen,
bald wohne ich in ihrer goldnen Stadt!
Wie Meeresrauschen klingt sie,
und seine Seele sieht:
mit ihren Augen singt sie
ein wundersames Lied.
Sie singt von ewger Treue,
sie singt von Lieb und Schmerz,
sie singt von Lust und Reue,
sie singt ihm in das Herz.
Das Ständchen ist verklungen,
als ihr Geliebter schied;
das Lied, das sie gesungen,
es war sein Totenlied.
Der Sommer neigt sich,
es singen die Spatzen
und schwatzen von Dingen,
die jedem bekannt;
es klagen Mimosen
und Rosen: sie sagen
von Liebe,
von längst vergangener Liebe.
Der Sommer neigt sich,
es sehen die Reben
das Leben vergehen,
das heute noch grünt;
in Gründen die Weiden,
sie leiden und künden
vom Tode,
vom bald schon kommenden Tode.
Der Wind rührt Wellen -
sie fließen den Schwänen,
die Tränen vergießen,
als sprachlose Feen
dem Grunde entsteigen:
ihr Schweigen gibt Kunde
von Liebe,
von unauffindbarer Liebe.
Der Wind rührt Wellen,
wo Bäume sich biegen
und wiegen in Träume.
Der Schläfer erwacht
erschrocken: es knicksen
die Nixen und locken
zum Tode,
zum unausweichlichen Tode.
Die Götter feiern:
die Schönen, sie prassen
und lassen ertönen
die Lyra mit Lust!
Die Lieder erklingen:
sie singen schon wieder
von Liebe,
von ewig göttlicher Liebe.
Die Götter feiern
und scherzen im Trubel,
im Jubel der Herzen,
der Dichter stimmt ein:
sie strotzen von Säften
und Kräften und trotzen
dem Tode,
dem überwundenen Tode.
Prächtig blühte einst der Garten,
und das Auge ward erquickt
von wohl hundert, tausend Arten,
die das Unkraut jetzt erstickt.
Tausend Formen, tausend Farben
streuten eifernd sich dahin,
die um den Betrachter warben
und betörten Herz und Sinn.
Es war stets ein Abenteuer,
ging man durch den Garten leis:
man sah Blumen heiß wie Feuer,
andre wieder kalt wie Eis,
manche Blüte, die errötet
und durch süßen Duft verführt,
manche, die den Menschen tötet,
der sie ungeschickt berührt.
Mancher Weg war nur erschließbar
dem, der selbst die Bahn sich bricht,
auch war manche Frucht genießbar;
manche aber war es nicht.
Manche Frucht war zu bestaunen,
die dem Pflücker bot die Stirn,
und man hörte Bäume raunen:
Na, min Junge, wist 'ne Birn?
Heute kennt man ihn von Bildern,
und man ahnt die Düfte nur,
denn sie ließen ihn verwildern
und vertilgten jede Spur.
Herz auf Taille starb der letzte
Gärtner, und der Park verkam,
weil kein Tau die Blumen netzte,
niemand sie in Pflege nahm.
Längst ist alles abgestorben,
und verschwunden ist die Pracht:
wo die Schönheit einst geworben,
hat sich Unkraut breit gemacht.
Wuchernd durch den Garten kriechend,
hässlich, farblos und gemein,
ungefährlich, übel riechend
badet es im Sonnenschein.
Menschen, die vorübereilen,
kann das Kroppzeug nicht verstehn:
Willst du nicht im Garten weilen,
unsre Schönheit zu besehn?
Kennt dein Leben keine Muße,
ist denn deine Zeit so knapp?
Aber stumm, mit schnellem Gruße
wendet sich der Wandrer ab.
Kommt, wir wollen uns befleißen,
all dies widerliche Kraut
mit den Wurzeln auszureißen;
dann wird wieder angebaut,
bis die Pflanzen Knospen treiben
fern von aller Welt Getön,
dass die Menschen stehen bleiben,
leise seufzend: Ach, wie schön!
Willst du wirklich von mir scheiden,
deiner Mutter zum Gefallen?
Soll acht Monde lang ich leiden,
bis du endlich kehrst zurück?
Du hellster Strahl in diesen dunklen Hallen,
es geht mit dir dahin mein ganzes Glück.
Willst den Liebsten du verhöhnen
und die Liebe selbst verlachen?
Soll ich mich daran gewöhnen,
dass man übers Höchste lacht?
Vergnügt es dich, zum Witwer den zu machen,
der alle Witwer, Witwen, Waisen macht?
Du begehrst den Sonnenwagen,
willst des Tages Licht genießen,
länger nicht die Nacht ertragen,
welche mir mein Reich erhält?
Ach, dürft ich Helios doch herunterschießen -
was scherte mich die Finsternis der Welt!
Alles kann ich dir erfüllen:
kann dir goldne Städte bauen,
dich in feinste Seide hüllen -
einen Tempel schenk ich dir,
in diesem dienen tausend Tempelfrauen;
nur Licht, nur Licht verlange nicht von mir!
Marmorhallen sollst du ordern,
mich nach Prunkpalästen fragen:
alles sollst du von mir fordern,
was ein Gott nur geben kann -
doch deine Liebe willst du mir versagen,
weil ich dich nur durch eine List gewann.
Ja, ich habe dich betrogen
und zur Blume mich verwandelt;
da erst warst du mir gewogen,
und ich nahm dich mit Gewalt!
Ich habe nur aus Liebe so gehandelt,
denn niemand liebt mich in Naturgestalt.
Doch du hast dein Ja gegeben
schon als wir herunterkamen,
mein zu sein dein ganzes Leben.
Ja, du selber hast gewählt:
du aßt aus freien Stücken von dem Samen
des Apfels, der der Hölle dich vermählt.
Oben ist das Leben bunter,
aber gleichsam unverlässlich
auf der Erde und darunter;
Tod und Liebe sind gewiss!
Es bleibt das Edle schön, das Arge hässlich
im Licht der Sonne wie in Finsternis.
Hier auf meinen schwarzen Matten
wird der Feind ins Herz geschlossen,
und man feiert hier als Schatten,
was man oben hat versäumt:
es werden Freuden unterhalb genossen,
die sich des Himmels Auge nicht erträumt!
Hier erlebt man ewge Wonnen,
hat man oben auch gelitten,
denn das Leben hat begonnen,
überquert man jenen Fluss;
in meinem Reich wird nicht gekämpft, gestritten,
weil niemand um sein Leben fürchten muss.
Wird man aus der Welt vertrieben,
kann man ohne aufzuhören
essen, trinken, tanzen, lieben
bis in alle Ewigkeit!
Kein Schlaf, kein Tod, kein Krieg wird einen stören:
zwar hat man hier kein Licht, doch man hat Zeit.
Alledem kehrst du den Rücken,
weil dich ein paar Sonnenstrahlen
mehr als dieses Land entzücken.
Doch auch oben wird es Nacht:
der Erde Qualen sind nicht auszumalen
den Seelen, die mein Höllenhund bewacht.
Locken dich schon nicht die Lieder
meines zarten Liebeswerbens,
lockt dich dann das Glück nicht wieder
und der sanfte Friedensstern?
Du willst ins Land der Arbeit und des Sterbens
und bleibst, solang es irgend geht, mir fern?
Ist das Urteil auch gesprochen,
dass den dritten Teil des Jahres,
jene wundervollen Wochen,
du in meinem Reich verbringst,
so hielt ich's doch für etwas Sonderbares,
wenn gänzlich ungetrübt du von mir gingst.
Deiner Mutter nun gegeben
musst du den Geliebten meiden,
ohne mich vier Monde leben,
und dann liegt die Wahl bei dir:
im letzten Drittel kannst du selbst entscheiden,
und ich beschwör dich innig: komm zu mir!
Nein, du willst die Sonne sehen
und die Mutter: Liebesdiebe!
Nein, du willst mich nicht verstehen:
Frauen drückt nicht Liebesnot.
Warum ist Blut nur stärker als die Liebe,
warum verzehrt die Liebe selbst den Tod?
Nun trinkt den edlen Rebensaft,
er ist zu eurem Besten!
Den Schwachen gibt er wieder Kraft
und Schwung den größten Festen.
Er macht euch frei von allen Schmerzen
und Sorgen noch so finster,
er bringet Trost gebrochnen Herzen
und Wohlstand seinem Winzer.
Erhebt das Glas, denn wer nicht trinkt, ist ein Verschwender,
der Wein ist unsre Liebe, und des Glases Ränder
sind warme feuchte Lippen, welche nie erkalten;
dein Weib ist morgen fort, der Wein bleibt uns erhalten.
Wir wollen, bis sich Zunge, Hals und Gaumen sträuben,
mit stetem Tropfen diese öde Welt betäuben.
Das schöne Weib berauscht, und scheint es noch so schüchtern;
der Wein berauscht uns auch, doch morgen sind wir nüchtern.
Die Augen funkeln wie der Wein, die auf mich sehn;
ich halte ihre zarte Hand, der Wein bleibt stehn.
Ich greif die günstige Gelegenheit beim Schopf:
ein schweres Herz wiegt leichter als ein schwerer Kopf.
Nilgemache schöngefraue
umpertakel Wasnahil,
nokterpisel dakto phil,
asgerochte Misnabaue.
Galpferd nachte ilgereiche
umgesogen abgeroch,
angefolte Begedoch:
nitahala, amgeseiche.
Gelesambe falkedroben,
bulter Nire vistenkahl;
numbe horle Kaphtahal,
umgebolte! Umgeboben!
Vom weißen Schwan gezogen
erreicht der Kahn den Strand,
und durch die sanften Wogen
betritt der Held das Land.
Mit bangen Händen krön ich
den Ritter aus dem Kahn:
so werde ich mein König
und bin mein Untertan.
Geweiht ist diese Erde,
geweiht ist dieser Strom:
auf diesem Grunde werde
gebaut der Künste Dom.
In marmorweißen Hallen
entfaltet sich mein Sinn,
in Götterkleidung wallen
die Fraun zum Tempel hin.
Und dort, im Heiligtume
der Isis, wird beglückt,
die mit der Gänseblume
die schwarzen Locken schmückt.
Dann wird sie von der ganzen
Gemeinde sich befrein
und unter Birken tanzen
bis in die Nacht hinein.
Und durch das kühle Dunkel
bewegt der Mond sein Licht,
das nun sich im Karfunkel
so mannigfaltig bricht.
Und ist der Tag zu Ende,
so werde ich zu ihr,
und reicht sie mir die Hände,
so wird sie selbst zu mir.
Und keine Macht auf Erden
kann Kunst und Mensch entzwein;
wie köstlich ist das Werden,
wie fade ist das Sein!
Hier trägt der Bau den Stempel
der Schönheit dieser Welt,
ja, hier entsteht der Tempel,
den niemand fertigstellt.
Die besten Architekten
vermachten ihrer Zeit
was andere vollstreckten:
baut bis in Ewigkeit!
Das graue Haupt nach Nord gebogen,
die greisen Finger ausgestreckt,
die letzte alte Stadt durchzogen,
ist einer gestern Nacht verreckt.
Durch Wüsten und verdorrte Betten
trieb ihn das Leben hin zum Meer.
Aus diesem wird ihn keiner retten:
er triebe selber hinterher.
Und alle marmorweißen Strände,
die er an seinem Wege sah,
die Palmen und die zarten Hände,
sie sind und waren niemals da.
Verblühte Mädchen säumen graue Straßen,
verstummte Tauben scheißen auf die Bank,
der Trauerlenz verweht so manchen Schwank
von kalten Greisen, die ein Kind vergaßen.
Mit Sauerampfer ist nicht gut zu spaßen,
sein öder Standpunkt macht die Seele krank;
auf Eis und Blumen liegt der Körper blank,
wo viele ihre Sehnsucht noch besaßen.
Drum lasst uns alle seiner Stimme danken,
die unser Sinnen lenkt in jedem Glas
und Ewigkeiten weist in ihre Schranken.
Und liegt die Glut des Herzens tot im Gras,
in dem die weiten Glocken schon versanken,
so fordert, fordert über jedes Maß!
Die Krähe fliegt durch alle Länder
und sammelt ihre Beute ein -
gar manches wird ihr vorgeworfen,
denn sie will gut gefüttert sein.
Und der Flamingo, groß und edel,
verweilt im Wasser unbeirrt.
In seinem Innern kann er spüren,
dass seine Zeit noch kommen wird.
In schwarzer Nacht nun muss ich wachen
und harre auf das Morgenrot:
auf roten Flügeln kommt die Liebe,
auf schwarzen Flügeln kommt der Tod.
Blaue Mondnacht säumt den Hafen,
auf dem Schoner seufzt der Maat,
schaumbemooste Träume schlafen
aus im Boot zu neuer Fahrt.
Meine Flügel schweben, liegen,
gleiten kühlbewegt zur Pier;
einst, wenn übers Meer sie fliegen,
bleiben müde Segel hier.
Lau beschwören Greise Schöne,
Winde wehen linder, sacht,
Taube hören leise Töne,
Blinde sehen in der Nacht.
Komm, erhaben träge Trauer,
flechte mir den roten Kranz:
Sommerabende, genauer:
Nächte für den Totentanz.
Alle: Alles, alles macht die Liebe!
Dass der Himmel irdisch werde
und zum Himmelreich die Erde:
alles, alles macht die Liebe!
Sie: Liebe, du schließt alle Lücken,
leitest die bequemste Bahn,
baust der Menschen größte Brücken
über jeden Ozean!
Er: Wie kann einen Menschen lieben,
wer nicht alle Menschen liebt?
Wie kann alle Menschen lieben,
wer nicht einen Menschen liebt?
Chor: Eros, deine Feuerflammen
schweißen Mensch und Mensch zusammen:
ohne Ketten, Fesseln, Wunden
wird auf ewig man gebunden!
Sie: Liebe, lenke unser Sinnen
stets zur höchsten Seelenzier:
wahre Schönheit kommt von innen,
wahre Schönheit kommt von dir!
Er: Jeder Mensch zur Schönheit werde,
der sich in der Liebe übt,
denn es ist auf dieser Erde
ewig schön, wer ewig liebt!
Chor: Aphrodite, Schaumgeborne,
kröne nicht nur Auserkorne,
dass der Schönheit Göttergabe
alle Menschen bald erlabe!
Sie: Liebe, wo dein Feuer wütet,
wo dein Angesicht uns lacht,
wird das Herz, so wohlbehütet,
von der Leidenschaft entfacht!
Er: Wenn erst unsre Herzen glühen,
dann versinkt um uns die Welt;
wenn die edlen Funken sprühen,
ist es gut um uns bestellt!
Chor: Himeros, wo dir zu Füßen
sich die Liebespaare grüßen,
sollst du freundlich sie beraten:
dem Verlangen folgen Taten!
Sie: Liebe, wo in deinem Namen
Freund mit Freundin sich vereint,
segne sie und ihren Samen,
dass die Sonne ewig scheint!
Er: Wo die Menschen selbst sich geben
und erfüllen dein Gebot,
hältst das Leben du am Leben
und besiegst allein den Tod!
Chor: Philotes, wo deinen Willen
alle Menschen gern erfüllen,
wird man täglich niedersinken
und aus deinem Kelche trinken!
Sie: Liebe, wer in deinen Fluten
sich als Taucher recht beweist,
füllen deine Feuergluten,
und sie wirken fort im Geist!
Er: Wo der Liebe schwüle Dünste
Blüten weben in den Sinn,
fällt schon bald die Frucht der Künste
reif auf guten Boden hin!
Chor: Wo, Apollo, dich zu ehren,
sich die großen Geister mehren,
sollst du sie mit Nektar tränken
und Ambrosia verschenken!
Sie: Liebe, machst mit Engelszungen
deinem Volke alles weis:
Alte lernen von den Jungen,
und die Kinder lehrt der Greis!
Er: Liebe wohnt in allen Weisen,
Weisheit wohnt in dem, der liebt,
und man muss ihn glücklich preisen,
der von beidem gerne gibt!
Chor: Wo, Athena, man erschienen,
Geistentsprungne, dir zu dienen
mit dem Herzen und Verstande,
füll den Becher bis zum Rande!
Sie: Liebe, stimm den Reichen milde,
Liebe, mach den Armen reich,
auf dem irdischen Gefilde
mache alle Menschen gleich!
Er: Jedes Herz aus Stein erweiche,
bringe allen Menschen Glück;
freudig gibt dann das der Reiche,
was ihm nicht gehört, zurück!
Chor: Midas, rühre deine Hände,
Gold in allen Dingen spende -
kein Metall! Nein, wir erwarten
goldne Werke, goldne Taten!
Sie: Liebe, wo dein Zauber waltet
endet alle Sklaverei,
wo das Leben er gestaltet,
macht er Herrn und Knechte frei!
Er: Herrn und Knecht eint statt der Ketten
fernerhin der Liebe Band;
beide legen ab die Ketten,
und sie reichen sich die Hand!
Chor: Du, Prometheus, hast gestritten
für die Menschen und gelitten;
bald sind wir dank solcher Retter
freie Menschen, freie Götter!
Sie: Liebe, wo du auch regierest,
wird kein Mensch ein Unrecht tun,
wo die Menschheit du verzierest,
wird der Streit auf ewig ruhn!
Er: Wo der Liebe Pfeile fliegen,
tritt das Recht an ihre Seit,
und es werden endlich siegen
Frieden und Gerechtigkeit!
Chor: Dike und Irene, rühret
alle Menschen; dränget, führet,
leitet sie auf euren Wegen
dem Elysium entgegen!
Sie: Liebe, wird dein Reich gegründet
und, wo stolz dein Banner fliegt,
deine Fackel angezündet,
hast du ohne Kampf gesiegt!
Er: Jedes Lächeln eine Sonne
und ein Himmel jeder Blick,
führst du uns zu höchster Wonne,
führst du uns zu ewgem Glück!
Chor: Eros, auch von tausend Zungen
wirst du nie genug besungen,
und von jedem deiner Lieder
halle dieser Erdkreis wider!
Alle: Alles, alles macht die Liebe!
Dass der Himmel irdisch werde
und zum Himmelreich die Erde:
alles, alles macht die Liebe!